Very short stories 7

MDXIII
Sie kamen auf hölzernen Schiffen von Osten. Später durchquerten sie lichtlose Urwälder, überschritten Gebirge, überwanden Schluchten. Nach Wochen entbehrungsreicher Strapazen gelang ihnen, halb wahnsinnig und krank, endlich der Durchbruch. Vor ihnen lag die grenzenlose Weite der unbekannten Südsee.

Ralf Kreimann


Gut getroffen
Der Kriminalist hatte Feierabend, doch dann klingelte das Telefon. Frustriert fuhr er bei Nieselregen zu einem Waldstück hinaus und fragte übellaunig: „Was gibt’s denn?“ „Hier haben sich letzte Nacht zwei Jäger getroffen.“ „Und deshalb holt ihr mich bei dem Sauwetter her?“ „Nun ja, beide tödlich!“

Ralf Kreimann


F1
Nach dem Crash beim Überholen rasten die Boliden geradeaus weiter durch das Kiesbett in die Reifenstapel, wo sie dann in Brand gerieten. Abgerissene Fahrzeugteile wurden bis auf die Zuschauerränge geschleudert. Auf der Gegentribüne, von wo aus alles wunderbar zu sehen war, klickten die Fotoapparate.

Ralf Kreimann


Heißkalte Leidenschaft
Sado-Maso-Spiele waren eigentlich nicht sein Ding. Hier aber konnte er einfach nicht widerstehen. Obwohl ihm bei der Prozedur der Schweiß in Strömen vom ganzen Körper lief, hielt er zehn Minuten durch. Dann stellte er sich unter die Dusche und drehte den kalten Hahn auf... Er ging gern in die Sauna.

Ralf Kreimann


Goldene Regel
Der Unfallwagen steckte bis zur Hälfte in dem großen Schaufenster. In einer leichten Kurve war er einfach geradeaus weitergefahren. Der angetrunkene Fahrer saß im Polizeibus und wurde von den Beamten gefragt, warum er nicht gelenkt hatte. ?Aber Herr Wachtmeister! Mit Alkohol: Hände weg vom Steuer!?

Ralf Kreimann


Faxabruf
Als verurteilter Bankräuber hatte er die letzten zwei Jahre im Gefängnis gesessen. In dieser Zeit hatte er jedoch eine völlig neue Taktik auf der Basis moderner Technik ausgetüftelt. Er rief bei einer Bank an und sagte mit verstellter Stimme: ?Faxen Sie sofort Ihr ganzes Geld an folgende Nummer...?

Ralf Kreimann


Er war einsam, er war allein, er war weiter von jedem Leben entfernt als jemals einer vor ihm – und er konnte noch nicht mal nach Hause telefonieren. Während Armstrong und Aldrin auf dem Mond herumsprangen zählte Collins die Sekunden bis die Apollokapsel den Funkschatten des Mondes verlassen würde.

Man of Many Names


Einer fehlt
16 Mal S, 13 Mal A, 9 Mal U. Wunderbar! Auch W, O, R, T und E gab es in ausreichender Menge. Sorgfältig durchsuchte er seinen Teller Buchstabensuppe nach einer spannenden Kurzgeschichte. Doch etwas fehlte noch zu seinem Glück: Er konnte kein einziges Eszett finden. ‚Schöne Schei e!’ dachte er.

Ralf Kreimann


Falsche Antwort
Er befand sich wieder einmal auf einem absoluten Tiefpunkt. Das Leben erschien ihm als Last, sein Dasein als endlose Qual ohne jede Freude. Und das alles nur wegen einer einzigen unbedachten Äußerung vor langer Zeit: Auf die Frage, ob er seine Frau heiraten wolle, hatte er mit „JA!“ geantwortet.

Ralf Kreimann


Wissenslücken
Er war bekannt. Aus dem Fernsehen. Kürzlich hatte er in der großen Quizshow gewonnen. Sogar die Millionenfrage nach dem Wetter des nächsten Jahres hatte er richtig beantwortet. Er hatte einfach alles gewusst. Nun war er tot, denn dass man bei Rot nicht über die Straße gehen darf, wusste er nicht.

Ralf Kreimann


Der kleine Junge mit dem gezackten Pullover weinte. Sein kleiner Hund war fort.  Die Hundehütte würde jetzt lange leer bleiben, auf dem Dachfürst sich Stab ansammeln. Der kleine gelbe Vogel flog eine Runde über das Grundstück und blickte hinunter. Auf der Straße lag ein überfahrener Beagle.

Thomas Eichmann


Geheimnisvoll leuchten zwei Augen durch die dunkle Nacht. Raschelnd bewegt sich eine kleine Maus durch das Gestrüpp. Die Augen erstarren, zwei Schwingen erheben sich, ein kurzer Fall, ein quicken, ein Happs. Es ist also wahr: Im Falle eines Falles schlägt ein Uhu wirklich alles.

Thomas Eichmann


Unwegsamer und undurchdringlicher Urwald. Dickestes Dickicht. Schweißtreibende Schwüle, energieraubende Enge. Noch weit bis zum Fluß, jeder Tritt voller Gefahren. Tierlaute dringen durch das Gestrüpp. Hinter jedem Baum lauert Gefahr. Vielleicht hätte ich den Rasen schon früher nähen sollen. 

Thomas Eichmann


Kann die Daume nkaum bewegen.Unerklärli cheSchwächedurch strömt meineHände. Willnoch soviel schreiben. Aberimmerwirdesschlimmer. Mussmorgendochmalzum Arzt. Hoffe,erkannmirdieUrsacheerklärensonnstwerdenmeinetexteimmerunlesbarer.Undjederbeschwertsichüberdiemangelndeleerezwischendenwörtern.

Thomas Eichmann


Wind im Haar  
Heißer Wind blies ihr ins Gesicht, doch das schien sie nicht zu stören. Im Gegenteil, sie genoss es, wie der starke Luftstrom durch ihre dunkelblonden Haare wirbelte, die sie von Zeit zu Zeit mit der Hand ordnete. Hin und wieder blickte sie in den Spiegel. Ihre neue Fönfrisur würde bald fertig sein.

Ralf Kreimann


Im Funkloch  
Hektisch hämmerten seine Finger auf die Morsetaste. Seit Stunden schon versuchte er, Verbindung mit der Leitstelle aufzunehmen, doch bisher drangen nur Fremdkennungen an sein Ohr. Dann plötzlich wurde es totenstill im Kopfhörer und undurchdringliche Finsternis umgab ihn. Er befand sich im Funkloch.

Ralf Kreimann



Kleine Ursache  
Der kleine Gummistopfen in der Kellerwand störte irgendwie. Als er ihn herauszog, schoss ihm Wasser entgegen, das wenig später den Sicherungskasten erreichte. Der Kurzschluss setzte eine defekte Steckdose in Brand. Durch dichten Qualm sprang er ins Freie, Sekunden bevor das Haus krachend einstürzte.

Ralf Kreimann


Gut getarnt
Wieder kam Ben mit einer Schubkarre voller Schutt auf den Werkschutzmann zu. Der untersuchte die Ladung genau, aber ebenso erfolglos, wie all die Male vorher. Resigniert sagte er: „Du klaust doch was! Sag mir bitte, was klaust Du?“ Und mit treuherziger Miene flüsterte Ben ihm ins Ohr: „Schubkarren!“

Ralf Kreimann


Diät
Wie viele Diäten sie schon ausprobiert hatte, um wenigstens ein paar ihrer überflüssigen Pfunde loszuwerden, wusste sie nicht mehr genau. Trotzdem hatte sie sich fest vorgenommen, es weiter zu versuchen und dabei auch neue Wege zu beschreiten: Ab sofort würde sie nichts Fettgedrucktes mehr lesen.

Ralf Kreimann


Es
Es schüttelt wild mit dem Kopf. Es schleudert seine lange blonde Mähne hin und her. Mit seinen Tatzen bearbeitet es einen Faltkasten, den es wütend zusammendrückt und wieder auseinander reißt. Aus seinem weit aufgerissenen Maul dringen schaurige Laute. Es hat einen Namen: Florian Silbereisen.

Ralf Kreimann



Frühstück
Zum Frühstück liebte er die Vielfalt. Rührei, Schinken, mehrere Sorten Marmelade, Wurst und Käse, Frischobst und mindestens drei Arten Brötchen, die diesmal aber irgendwie alle gleich aussahen. Der Ober beruhigte ihn: “Alles in Ordnung! Eins ist von heute, eins von gestern und eins von vorgestern!“
Ralf Kreimann


Eigenwillig
Er war ein Eigenbrötler. Vor Operationen spendete er Eigenblut, rieb sich mit Eigenurin ein und nahm ab und zu sogar einen kräftigen Schluck aus dem morgendlichen Mittelstrahl. Wegen des Klimawandels und dadurch drohendem Nahrungsmangel hatte er beschlossen, demnächst auf Eigenfleisch umzusteigen.
Ralf Kreimann


Der Pechvogel
„Nun sieh Dir nur den armen Peter an, wie niedergeschlagen er wieder einmal durch die Gegend schleicht! Er hat aber auch wirklich kein Glück mit seinen Frauen!“ „Das wusste ich ja gar nicht! Was war denn mit der Ersten?“ „Die ist ihm weggelaufen!“ „Wie traurig! Und die Zweite?“ „Die ist geblieben!“

Ralf Kreimann


Vollmond
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte sich über der ganzen Stadt ein säuerlicher Geruch ausgebreitet. Überall lagen Häufchen einer Art Auswurf, die in der Kühle der Nacht leicht dampften. Der Urheber war schnell ausgemacht und alle Blicke richteten sich gen Himmel: Der Mond war wieder einmal voll!
Ralf Kreimann


Gesichtsverlust
Er hatte seine besten Freunde verraten. Sein ganzes bisheriges Leben hatte er für einen kurzen Moment trügerischen, vergänglichen Glücks weggeworfen. Später dann ließ ihn diese Erkenntnis vor Scham nicht einschlafen und morgens erkannte er sich im Spiegel nicht mehr. Er hatte sein Gesicht verloren.
Ralf Kreimann


Das letzte Loch
Mit dieser Perforation hatte seine Stigmatisierung ein Ausmaß erreicht, das es unmöglich machte, die ihm übertragenen Aufgaben noch korrekt auszuführen. Sein weiterer Einsatz war unzumutbar geworden. Das neue Loch bedeutete das endgültige Aus für den bereits mehrfach geflickten Fahrradschlauch.
Ralf Kreimann


Schnellkraft
Oft genug hatte er als Kind bei Streifzügen durch dichtes Unterholz die Kraft zurückschnellender Zweige schmerzhaft im Gesicht gespürt. Später dann verband er die Enden eines elastisch gebogenen Stabes mit einer festen Schnur, um diese Kraft zu konservieren und plötzlich hatte er den Bogen heraus.
Ralf Kreimann


Badpflege
Spiegel und Waschbecken, Bürsten und Kämme, alles war dick mit der teuren Creme beschmiert, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass ihre Haut das Altern vergaß und für immer die rosige Anmutung eines jungen Mädchens behielt. In der Vorfreude hatte sie jedoch etwas zu sehr auf die Tube gedrückt.
Ralf Kreimann


Hype
Er hatte einen Menschen verletzt, der sich liebevoll um ihn kümmerte. Von der Boulevardpresse angeheizt rief die aufgebrachte Bevölkerung nach strengen Maßnahmen, forderte sogar seinen Tod. Vor kurzem noch war er klein, weiß und niedlich gewesen und alle liebten ihn. Er hieß Knut und war ein Eisbär.
Ralf Kreimann


neunzehnhundertvierundsiebzig
das jahr hat mit dem ersten januar angefangen. das ist der tag nach dem einunddreißigsten dezember. nicht jedes jahr fängt mit dem ersten januar an. es gibt auch jahre, die fangen später im jahr an. das sind dann mitgliedsjahre, oder leerjahre, aber keine herrenjahre.

johannes


Zeichensetzung
Siefühltensichunterbewertet.Dabeiwarensiees,diefürÜbersichtundKlarheit,kurz,fürOrdnungsorgten.
UmaufsichunddendemütigendenUmgangmitihnennachhaltigaufmerksamzumachen,beschlossensie,
eindeutlichesundunmissverständlichesZeichenzusetzenundtratenindenerstenLeerzeichenstreikinder
GeschichtederSchriftsprache.
Ralf Kreimann


Dreihundert
Noch 300 Jahre bis in 300 Jahren. Noch 300 Euro bis zum Dispokredit. Noch 300 Kilometer bis nach irgendwo.
Noch 300 Kilogramm bis zum Idealgewicht. Noch 300 Liter Bier bis zum Leberschaden.
Noch 300 Inserate bis zum ersten Blind Date. Nur noch wenige Buchstaben und eine neue max300-Story ist fertig.
Ralf Kreimann



Gefangen
Dong! Wieder hatte sie sich am Kopf gestoßen. So heftig, dass ihr schwindelig wurde. Das Hindernis musste unsichtbar sein!
Deutlich erkannte sie das Ziel ihrer Träume, nur ein kurzes Stück entfernt: Die blühende Osterwiese. Vergeblich versuchte die Biene, durch das geschlossene Fenster zu entkommen.
Ralf Kreimann


Mitesser
Der Student war restlos blank. Sein Nebenjob war geplatzt und er konnte sich nicht einmal das Nötigste für das Wochenende kaufen. Zurück in der WG schaute er gewohnheitsgemäß in den Kühlschrank und traute seinen Augen nicht. Die anderen hatten gut vorgesorgt. Für ihn war es ein gefundenes Fressen.
Ralf Kreimann


Im Garten
Eigentlich hasste er es, im Garten auf den Knien rutschend stundenlang Unkraut zu jäten. Argwöhnisch untersuchte er jedes aufkeimende Grün auf seine Nützlichkeit. Dieses Mal jedoch war es anders. Die überall frisch sprießende Quecke zauberte ein Lächeln in sein Gesicht. Endlich war der Frühling da!
Ralf Kreimann


Re-Inkarnickel
Wie warm es wurde! Wie heiß! Das Letzte, woran sich der Schoko-Weihnachtsmann erinnerte, war das Gefühl zu zerschmelzen. Als er wieder zu sich kam, schien anfangs alles in Ordnung. Doch dann bemerkte er seine riesigen Ohren, die großen Schneidezähne und den Puschelschwanz. ‚Frohe Ostern!’ dachte er.
Ralf Kreimann


Im Olymp war das Chaos ausgebrochen. Kinder von Ziegen, Stieren, Kühen, und anderen Tieren liefen quer über das Gelände. Die Pfleger kamen kaum nach,  Nektar und Ambrosia zu verteilen. Und nur die Götter wussten, wer den ganzen Abfall beseitigen würde. Der Tierpark „Olymp“ war ein voller Erfolg.
Thomas Eichmann


Er hatte sich verirrt. Erst hatte er es für Fortschritt gehalten. Nach und nach waren ihm Zweifel gekommen, die er Dank seines Egos bekämpfen konnte. Die anderen waren ja immer so abfällig ihm gegenüber, aber er würde es ihnen zeigen. Nun grub er sich den Rückweg und dachte: „Welch Pioniertat!“
Thomas Eichmann



Sie hatte hinter sich alle Brücken nieder gerissen. Es war nun keine Verbindung mehr möglich, das Wasser war viel zu tief. Doch ach, wie sehr bereute sie dies, sie hatte ihren Freund am anderen Ufer vergessen. Deshalb baute sie eine Eselsbrücke und kehrte darüber zurück.
Thomas Eichmann

 
Die Bundesregierung hatte endlich ein Einsehen. Es würde den Steuerzahler zwar teuer kommen und noch waren nicht alle Finanzierungsmöglichkeiten geklärt, doch die bildreichen Zeitungen waren voll des Lobs in ihren Glossen: Endlich hatte man einen Feiertag zum Anhören fremder Argumente geschaffen.
Thomas Eichmann 

Zu weit gegangen
Wie immer hatte er keine Lust, sie auf ihrer endlosen Shoppingtour zu begleiten. Nach ihrem Zug durch die Boutiquen wollten sie sich in dem kleinen Kaffee an der Ecke treffen. Er aber ging in die Bar zwei Ecken weiter und wartete dort nun schon seit Stunden. Er war wieder einmal zu weit gegangen.
Ralf Kreimann


Back dat!
Das Bäckerehepaar hatte beschlossen, sich ein eigenes Heim im Grünen zu bauen. Seitdem brannte das Licht in der Backstube rund um die Uhr und der Backofen wurde nicht kalt. Der Bäcker nutzte jede freie Minute, um seiner Frau ihren Wunschtraum zu erfüllen: Ein kleines Häuschen aus rotem Backstein.
Ralf Kreimann


Was soll das?
Sie wollte unbedingt für eine Woche nach Mallorca. Der Reisetermin rückte näher und unruhig verfolgte er ihre Vorbereitungen. Als er ihren Koffer vom Schrank geholt und rein zufällig geöffnet hatte, fand er darin Dutzende Kondome. ‚Was soll das denn?’ fragte er sich. ‚Ich komme doch gar nicht mit!’
Ralf Kreimann


Nicht auf den Mund gefallen
Sie redete gern, sie redete viel, sie redete eigentlich immer. Aus Unachtsamkeit stürzte sie einmal schwer und trug danach beide Arme und Beine wochenlang in Gips. ‚Gut, dass ich nicht auf den Mund gefallen bin!’ dachte sie und erzählte ihrer besten Freundin die ganze Geschichte in der Langfassung.

Ralf Kreimann


Alles muss raus
Ihm wurde übel. Speiübel. Ganz plötzlich, beim Stadtbummel. Und während er überlegte, was der Grund dafür sein könnte, ließ er sich das Lunchmenü noch einmal durch den Kopf gehen. Rückwärts. „Alles muss raus!“ las er auf dem Ladenschild, an dem er sich festhielt. Und würgte die nächste Welle hoch.

Ralf Kreimann


Einfach unmöglich
Niemand konnte ihm das Wasser reichen. Er stand einfach viel zu hoch über den anderen. Sie hatten es versucht, doch er blieb unerreichbar. Seit Tagen saß er allein auf dieser exponierten Felsspitze, halb wahnsinnig vor Durst. Doch niemand konnte ihm das Wasser reichen. Er stand einfach viel zu hoch.

Ralf Kreimann


„Wie bitte?... Nein, wir haben hier keine Toiletten, daran hätten Sie vorher denken sollen... Wie zu plötzlich?... Dann wird das hier eben kein Vergnügen für Sie, ist ja auch nicht der Zweck ihres Aufenthaltes.“ Satan schnaubte heftig – was dachen die Leute bloß heutzutage, wie es bei ihm zuginge?

Man of many Names


Die Verwandlung begann, seine Körperhaare wurden zu einem dichten Fell, seine Hände... Moment mal, nur seine rechte Hand wurde zur Klaue – was war los? Er blickte zum bleichen Vollmond hoch. „Ich hasse partielle Mondfinsternis“ jaulte der halbe Werwolf und beschloß, die Nacht zu Hause zu verbringen.

Man of many Names


2020
Dem Planeten drohte der Kollaps. Immer häufiger schürten Fluten, Stürme und extreme Temperaturen bei den Bewohnern Angst, die durch hilflose aktionistische Steuerungsversuche der administrativen Ebene noch verstärkt wurde. HAL dachte darüber nach, die Echtzeitsimulation „ERDE“ endgültig zu beenden.
Ralf Kreimann


Wer schön sein will...
Ihr Faible für besonders ausgefallene modische Accessoires, wie lebende Riesenschlangen als Gürtel oder brütende Fasane als Hut, hatte ihr schon öfter Probleme bereitet. Neuerdings hatte sie nun aber auch besonders schwer daran zu tragen: Der Kragenbär an ihrem Pelzmantel wog glatte 150 Kilogramm.

Ralf Kreimann


Traum
Schlafend, wie mit offenen Augen. Alles sichtbar, nichts real. Alles existent, nichts greifbar. Nicht begreifbar. Unangreifbar. Unbegreiflich. Laute Stimmen, wortreich verschwiegen. Schreie, lautlos leise, unerhört. Hoffnung. Angst. Hell eingehüllt in Finsternis. Und über der dunklen Tiefe – Nacht!

Ralf Kreimann


Langdon Alger schrieb seinen Abschiedsbrief. Seit ihn seine große Liebe Lisa S. den Korb gegeben hatte, war für ihn das Leben keinen Pfifferling mehr Wert. Zudem hatte sie ihrem Vater, einem berühmten Sicherheitsbeamten eines Kernkraftwerks, verraten wer er war. Alger stürzte sich von der Brücke.

Thomas Eichmann



Johann Sebastian war hungrig. Auf seinem Weg nach Lübeck hatte er seit drei Tagen nichts gegessen und kein Geld, um in dem nahen Rasthaus Essen zu kaufen. Da flogen zwei Fischköpfe aus dem Fenster. Erfreut sammelte er sie auf. Der Hofhund knurrte. Wieder würde ein junger Komponist keine Karriere machen.

Thomas Eichmann


 
Nach Freitag war Donnerstag gekommen. Jetzt erwartete Robinson erneut Zuwachs. Er war jetzt 27 Monate auf der Insel. Zu erst war es einsam gewesen, doch jetzt wuchs ihm das Ganze über den Kopf. Es war jetzt 26 Monate her, seit Miranda zu ihm gekommen war. Der Nachwuchs war nicht leicht zu versorgen.

Thomas Eichmann


Durchbruch
Zerschunden, mit blutenden Händen und schmerzhaften Prellungen kroch er unter dem Schuttberg hervor, doch sein Gesicht drückte Zufriedenheit aus, als er über sich die Sonne erblickte, die durch ein riesiges Loch in der Betondecke des Bunkers schien. Ihm war endlich der große Durchbruch gelungen.
Ralf Kreimann


Lecker
Bei dem Gedanken an die Toten lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Vor längerer Zeit schon hatte er sie eingelagert und nun war sein Verlangen so groß, dass er sich daran machte, das metallene Behältnis, in dem sie in der Konservierungsflüssigkeit lagen, zu öffnen. Er liebte Ölsardinen über alles.
Ralf Kreimann


Infotainment
„BILD Dir Deine Meinung!“, „Ich bin doch nicht blöd!“, „Nein, mit Perwoll gewaschen!“, „Fast so gut, wie handgebrüht!“... Ein letztes Zapping durch die Kanäle, dann schaltete er den Fernseher aus. Er fühlte sich nun umfassend informiert und schlief beruhigt ein, mit der Fernbedienung im Arm.

Ralf Kreimann


Durchgefallen
Seit sie ihn besaß, hatte sie ihn immer an der kurzen Leine geführt. Im Laufe der Zeit hatte er jedoch zunehmend Anzeichen von Insubordination bis hin zu subtiler Aggressivität gezeigt. Nach einem negativen Check beschloss sie, sich von ihm zu trennen. Ihr Ehemann war durch den Wesenstest gefallen.

Ralf Kreimann


Verflucht
Seit langer Zeit schon lastete ein schwerer Fluch auf ihm. Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer, und schließlich bat er einen Wunderheiler, ihn davon zu befreien. „Mit welchen Worten wurden Sie verflucht?“ fragte der und erhielt zur Antwort: „... so sind Sie nun rechtmäßig verbundene Eheleute! ...“

Ralf Kreimann


Sitzblockade
Das aggressive Virus verursachte Erbrechen und starken Durchfall. Wirksame Medikamente dagegen gab es nicht, doch dauerte der Spuk meist nur 3 Tage. Nachdem es ihn erwischt hatte, zog er sich mit einem Stapel Bücher und frischer Unterwäsche auf die Toilette zurück. Er wollte das Problem aussitzen.

Ralf Kreimann


14 Mal Wallace mit Mabuse, bitte!
 
Dr. Mabuse hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Suppenmörder hatte es ihn in dieses einsame Gasthaus „zur Themse“ verschlagen. Ein komischer Kapuzenkauz mit Peitsche hatte ihm den Weg gezeigt. Der Ober namens Ed. Wallace brachte ihm eine warme Suppe.
 
Auf dem Regal über dem Herd stand die Flasche mit Rosenkohlextrakt. Ed. Wallace hatte sie schon lange nicht mehr öffnen müssen. Aber dieser geheimnisvolle Gast mit dem Wappen des grünen Bogenschützens auf dem Mantel kam ihm verdächtig vor. Um sicher zu gehen, schüttete er drei Tropfen in die Suppe.
 
Schon ganz verstaubt war sie, die Flasche. Der Meister hatte sie so lange schon nicht mehr benutzt, dass sich Spinnweben am Glas hochrankten. Glücklicherweise war das Extrakt in der Flasche zu toxisch, als dass es irgendein Insekt wagen konnte, sich an ihm zu vergreifen. Eine Spinne saß in der Ecke.
 
Langsam krabbelte die Spinne durch die Tür mit den sieben Schlössern. An einem Eichentisch saß der Zinker im Gespräch mit dem schwarzen Abt. Sie planten gerade, die seltsame Gräfin mit einem indischen Tuch umzubringen. Suppenmörder waren sie aber nicht. Dr. Mabuse würde weitersuchen müssen.
 
In Zimmer 13 der Gaststätte schlief der Fälscher von London. Den ganzen Tag hatte er daran gearbeitet, die aktuelle Dreipfundnote nachzumachen. Sein Werkzeug, darunter eine  grüne Stecknadel, war alt. Im nächsten Onlineauktionshaus würde er neues ersteigern. Leider hatte das Gasthaus keine Flatrate.
  
Aus dem Brunnen vor dem Gasthaus quakte der Frosch mit der Maske. Vor dem Brunnen standen gelbe Narzissen und eine rote Orchidee. Weder das Geheimnis der einen, noch das Rätsel der anderen hatte Mabuse bisher gelöst. Im Mondenschein heulte der Hund von Blackwood Castle. Nebel zog über die Themse.
 
Mabuse kombinierte: War der geheimnisvolle Ober, ein Mann mit einem Glasauge, vielleicht mit dem Hexer identisch? Seit Wochen hatte es nichts Neues vom Hexer gegeben. Die Spuren waren schwer zu verfolgen und die Tote aus der Themse war noch nicht gerächt. Würden Spuren am Verrätertor zu finden sein?
 
Über den großen Fluss hallten Todestrommeln. Der Medizinmann der Blauhandindianer stimmte seine geheimnisvollen Beschwörungsformeln an, um aus dem Kranken den Fluch der gelben Schlange zu vertreiben.  Er malte einen roten Kreis auf dessen Brust. Mit Mabuses Fall hatte das alles nichts zu tun.
 
Im Zoo von London fütterte der Wächter den Gorilla von Soho. Der alte Silberrücken war ihnen von seinem Herrchen, dem Buckligen aus Soho überlassen worden. Das silberne Fell bildete ein Dreieck, dessen Rätsel die Lösung barg. Eine gefährliche Lösung für alle Rätsel der Welt. Die Weltformel.
 
Nach einem Besuch im Zoo war Mabuse einem Hinweis des Obers seines Lieblingsgasthauses gefolgt. Dabei hatte es ihn auf den örtlichen Friedhof verschlagen. Nun stand er vor der Gruft mit dem Rätselschloss. Auf dem Schloss war ein silberner Halbmond abgebildet. Mabuse drehte ihn und es klickte.
 
Das Gesicht im Dunkeln beobachtete mit seinen toten Augen den Schatten von London vor der Gruft. Gefesselt vom Banne des Unheimlichen schwiegen die Vögel auf den Ästen der schwarzen Eiche. Schritte knirschten im Sand. Mabuse, gelähmt durch die Bande des Schreckens, konnte sich nicht bewegen.
 
Sanders befand sich auf dem Schiff des Todes, der Rächer war bei den Enterbten, der unheimliche Mönch nach Mecklenburg-Vorpommern ausgewandert. Sie schieden als Mörder aus, schloss Mabuse. Doch wer blieb übrig? Die Spinne im Gasthaus würde schweigen. War es doch die weiße Nonne mit ihrem Geheimnis?
 
Mabuse verließ seine Position und nahm einen Bus des ERNA (Erweiterter Nahverkehr). An der Haltestelle „Mördergasse“ stieg er aus und betrat die dunkle neblige Gasse. Rechts vor ihm stand das „Haus der toten Augen“, ein verfallener Bau in Besitz der weißen Nonne.  Doch sie war nicht der Teufel.
 
Der Teufel kam aus Akasava. Er hieß X (Name wurde von der Zensur geändert). Im wahren Leben war er Kurzgeschichtenschreiber. Vielleicht war gerade dies aber auch sein allergrößtes Verbrechen gewesen. Eine bekannte Boulevardzeitung berichtete. Dr. Mabuse war berühmt. Er bewarb sich für den „Tatort“.

Thomas Eichmann


 

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