Wahlen in Hamburg am 29.2.2004

Ich hab' ja von Fußball keine Ahnung, deshalb red' ich auch nie drüber weil es sofort auffällt. Bei Politik ist das ganz anders. Wenn da einer ahnungslos daherredet, merkt das keine Mensch.

 

In Hamburg wurde seit 1946 die Bürgerschaft inzwischen 17. Mal gewählt. Am 29.2.2004 ist die 18. Wahl.

Damit wählen die Hamburger durchschnittlich alle 3,22 Jahre ein neues Landesparlament.

Diese kurzen Legislaturperioden gibt es allerdings erst seit 1982. Damals kamen die Grünen erstmals in die Bürgerschaft. In Hamburg heissen sie allerdings GAL (Grüne Alternative Liste). Die SPD mit ihrem Ersten Bürgermeister Klaus von Dohnanyi konnte damals aber überhaupt nicht mit den Grünen koalieren, es gab Widerstände bei den Grünen aber auch bei der SPD. Damit hatte ein Bundesland eine linke Mehrheit, die sich aber nicht zum Regieren zusammenraufen konnte. Diesen Zustand nannte man dann damals "Hamburger Verhältnisse".

Das gleiche hatte man dann kurz darauf auch in Hessen. Der hessische SPD-Ministerpräsident Holger Börner konnte mit den Grünen nicht. Er prägt das großspurige Wort, dass man ihn mit den Grünen "nicht mal auf einer Fotomontage zusammen sehen würde." (Holger Börner prägte auch den Spruch, dass man "früher auf dem Bau das mit der Dachlatte erledigt hätte." Er meinte damit den grünen Widerstand gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens.)

Da die Parteien nicht miteinander konnten mussten die Hamburger noch einmal wählen. So wurde 1982 in Hamburg zweimal gewählt.

Aber das war nicht die einzige vorgezogene Wahl. 1987, 1993 und 2004 bestimmten die Hamburger wieder vorzeitig ihr Landesparlament.

So wie Hamburg nicht einfach Hamburg heisst, sonder Freie und Hansestadt Hamburg so heisst auch das Landesparlament "Bürgerschaft" und der Bürgermeister "Erster Bürgermeister".

"Erster Bürgermeister" ist der Regierungschef und der "Zweite Bürgermeister" ist sein Stellvertreter.

Bis 1860 gab es sogar 4 Bürgermeister. Zwei übten das Amt aus, zwei warteten. Damals hieß das Regieren "worthaltend" und das Nicht-Regieren "sitzen".

Ab 1861 gab es zwei Bürgermeister, die sich in der Amtsführung bis 1919 abwechselten. Ab 1861 wurde die Stadtregierung auch von "Rath" in "Senat" umbenannt.

Bis zur Verfassungsreform von 1997 waren die Bürgermeister nur "Primus inter pares" d.h. "Erste unter Gleichen". Das Parlament wählte den Senat und der Senat wählte den Bürgermeister aus seinen Reihen. Heutzutage wird der Erste Bürgermeister von der Bürgerschaft (Parlament) gewählt und er sucht sich dann seine Senatoren zusammen. Naja, er wird sich an die diversen Koalitionsvereinbarungen halten müssen. :-)

Erste Hamburger Bürgermeister seit dem Zweiten Weltkrieg waren

1946 - 1953 Max Brauer (SPD)

1953 - 1957 Kurt Sieveking (CDU)

1957 - 1961 Max Brauer (SPD)

1961 -1965 Paul Nevermann (SPD)

Paul Nevermann ist der Vater der SPD-Politikerin Anke Nevermann, die man besser als Anke Fuchs kennt.

Anke Fuchs war 1982 Bundesministerin unter Helmut Schmidt und kandidierte 1990 gegen Kurt Biedenkopf bei den sächsischen Landtagswahlen. Später war Anke Fuchs von 1998-2002 Vizepäsidentin des Deutschen Bundestages und ist seit 1995 Präsidentin des Deutschen Mieterbundes. Paul Nevermann war übrigens von 1967-1979 auch Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Bürgermeister Paul Nevermann bekam auch mal hohen Besuch. Königin Elisabeth II. von England schaute in Hamburg vorbei. Dabei zog er den Zorn einiger Hamburger auf sich, denn er war gegenüber der Queen zu unterwürfig (jedenfalls für für einen Hamburger Bürgermeister hanseatisch-republikanischer Tradition). Zudem beendete der Staatsbesuch der britischen Königin seine Amtszeit, denn seine seine Frau Grete weigerte sich wegen seiner außerehelichen Beziehung, an seiner Seite aufzutreten. Und das war in den 60ern noch ein Rücktrittsgrund.

1965 - 1971 Herbert Weichmann (SPD)

1971 - 1974 Peter Schulz (SPD)

1974 - 1981 Hans-Ulrich Klose (SPD)

1981 - 1988 Klaus von Dohnanyi (SPD)

Er ist Sohn von Hans von Dohnanyi (verhaftet von der Gestapo 1943, hingerichtet im April 1945 in Sachsenhausen) und dessen Ehefrau Christel von Dohnanyi (Schwester Dietrich Bonhoeffers - evangelischer Theologe und Widerstandkämpfer, 9.4.1945 in Flossenbürg hingerichtet). Sein Bruder ist der Dirigent Christoph von Dohnanyi.

Klaus von Dohnanyi war bei Bundeskanzler Helmut Schmidt von 1972 bis 1974 Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.

1988 - 1997 Henning Voscherau (SPD)

Er ist der Sohn des Schauspielers Carl Voscherau, sein schauspielernder Bruder ist bekannt als Carl-Heinz Vosgerau. Henning Voscherau gelang es die in Hamburg aufgekommene konservative Alternativpartei "Stattpartei" so geschickt in die Reggierungsarbeit einzubinden, sodass man von der kleinen Partei nichts mehr hörte. Dadurch verschwand die Stattpartei nach vier Jahren wieder aus dem Parlament, aber Henning Voscherau wollte nicht mit den Grünen susammenarbeiten und trat zurück. Er arbeitet inzwischen wieder als wohlsituierter Notar und verdient damit seine Brötchen.

1997-2001 Ortwin Runde (SPD)

2001 Ole von Beust (CDU)

Ole von Beust ist der zweite CDU-Bürgermeister Hamburgs. Er konnte durch eine Koalition mit der rechtspopulären "Schill"-Partei und der FDP eine konservative Stadtregierung bilden.

Die Schill-Partei heisst eigentlich Partei Rechtsstaatliche Offensive und wurde 2001 vom Hamburger Richter Ronals Schill ins Leben gerufen. Roland Schill hatte die Jahre zuvor als "Richter Grandenlos" für spektakuläre Urteil gesorgt und wurde dadurch bekannt. Durch die Boulevardberichterstattung auf den Geschmack für Popularität gekommen, gründetet Schill seine Partei.

Er besetzte die Themen "innere Sicherheit" und Kriminalität (versprach dramatische Kriminalitätsrückgänge wenn er denn Innensenator würde) und errang in der Bürgerschaftswahl 2001 schließlich über 19% der Stimmen.

Innensenator Schill lässt dann aber mehr Schlagzeilen als Taten folgen:

Er möchte Polizisten aus anderen Bundesländern nach Hamburg abwerben. Die Innenminister der anderen Länder lassen durchblicken, dass dann die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Überlassung von Polizeikräften für Hamburg ausfällt.

2002 versuchte er eine Freundin als Staatsrätin im Kulturressort unterzubringen.

Im August 2002 redet Schill in der Bundestags-Debatte über die Folgen der Hochwasserkatastrophe und verlässt das Thema indem er ausländerfeindliche Ressentiments loslässt. Vizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) stellt ihm das Mikrofon ab.

Auf der Innenministerkonferenz 2002 in Bremen schlägt Schill vor das Narkosegas, das die Moskauer Polizei bei einem Geiseldrama benutzt hatte anzuschaffen. Das in Moskau über 100 Geiseln an dem Gas gestorben waren, ist nur marginal. Der Vorschlag wird zurückgewiesen.

2003 versucht Ronald Schill. Schill Bürgermeister Ole von Beust wegen seiner Homosexualität zu erpressen. Von Beust entlässt daraufhin Schill.

Nachdem sich Schill 2003 auch noch mit seiner Bürgerschaftsfraktion verkracht und eine Spaltung der Schillpartei droht, beantragen CDU und FDP die Auflösung der Bürgerschaft und Neuwahlen. Damit sollen wieder stabile Verhältnisse für die Hamburger Regierung geschaffen werden.

Im Wahlkampf 2004 tritt für die SPD Thomas Mirow als Spitzenkandidat an. Mirow war Wirtschaftssenator und noch davor Bürochef des langjährigen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt.

Die CDU tritt mit ihrem Bürgermeister Ole von Beust an und nutzt den Namen für einen ungewollten Versprecher: Es gibt ein CDU-Plakat mit dem Text "Michel, Alster, Ole".

Damit soll das Hamburger Wahrzeichen, die Kirche St. Michaelis - Michel genannt, der Fluss und Binnensee Alster und der Kandidat Ole von beust als Synonym für Hamburg rüberkommen. Lästerzungen machten daraus allerdings das spanisch klingende "Michel, Alster, Olé!".

Für das Plakat musste sich der der CDU-Spitzenkandidat auch Fragen gefallen lassen wie: "Sie eine Kirche oder ein Gewässer?"

Aber auch die SPD trat ins Näpfchen. Thomas Mirow ist auf einem Plakat mit einem Bobby-Car abgebildet und wirbt für die SPD-Familienpoltik. Leider ist der Hersteller des Bobby-Cars, die Firma BIG in Fürth zur Zeit in wirtschaftlichen Turbulenzen und soll verkauft werden.

 

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