Die Sixtinische Kapelle
Die Sixtinische Kapelle im Vatikan wurde zwischen 1475 und 1483 unter Papst Sixtus IV. erbaut und am 9. August 1483 eingeweiht. Die Pläne für die Kapelle wurden von Baccio Pontelli erstellt.
Der Grundriss soll den Dimensionen des Tempels Salomon zu Jerusalem entsprechen (40,23 m lang, 13,40 m breit 20,70 m hoch).
Der Raum wird von einer Chorschranke aus dem 15. Jhd (Ende des 16. Jhds versetzt) geteilt, der den Raum für den Klerus von dem für die Allgemeinheit abtrennt.
Der Fußboden ist ein Mosaik aus dem 15. Jhd. - bis heute perfekt erhalten. Das gibts so nicht beim Baumarkt.
Als Papst geht man ja nicht zu Praktiker und sucht sich die Tapete aus, sondern lässt die berühmtesten Raumausmaler seiner Zeit antreten. In der Sixtinischen Kapelle werkelten so ziemlich alle, die in der Renaissance Rang und Namen hatten. Die Wandbilder mit Szenen aus dem Leben Jesus (1) und Moses (2) stammen von Botticelli, Perugino und anderen Könnern.
Der absolute Publikumsmagnet sind aber die Fresken Michalangelos. Er gestaltete die Decke und die Altarwand. Auftraggeber war der amtierende Papst Julius II, ein Neffe von Sixtus IV. Michelangelo zog anfangs nicht wirklich, willigte dann aber ein und malte die Decke in vier Jahren (1508 -1512) bunt an.
Die Geschichte, dass Papst Julius II. eines Morgens in die Kapelle kam, nach oben schaute und entsetzt ausrief: " Michelangelo! Ich hab' gesagt Rauhfaser - und zweimal weiß streichen!", ist im Übrigen ins Reich der Legenden zu verweisen.
Das Deckengemälde zeigt im Mittelteil Szenen aus der Genesis
auf insgesamt 520 m2. Es enthält 115 überlebensgroße
Charaktere.
In den dreieckigen Stichkappen (3) werden die Ahnen Jesus dargestellt.
In den äußeren Wandstreifen (4) sieht man die sieben biblischen Propheten und fünf heidnischen Sybillen, die das Kommen Jesus vorhergesagt hatten.
In den viereckigen Mittelfeldern (5) sind neun Episoden aus der Genesis zu sehen. Drei davon zeigen die Erschaffung der Welt, drei die Geschichte Adams und drei die Geschichte Noahs. Michelangelo begann seine Arbeit übrigens mit Noah.
Die Bilder aus der Genesis werden von den so genannten "Ignudi", den "Nackten" (6) unterbrochen. Es sind ideale Menschenfiguren in perspektivisch anspruchsvollen Posen. In ihnen findet man praktisch die komplette Bandbreite der von späteren Künstlern benutzten Akt-Posituren.
Das Deckenbild zeigt 115 überlebensgroße Figuren.
Die Stirnwand ist mit dem "Jüngsten Gericht" (7) komplett bemalt. Dieses Werk mit ca. 390 Figuren wurde von Michelangelo in den Jahren von 1536 bis 1541 geschaffen. Auftraggeber war Papst Clemens VII. der aber den Beginn der Arbeiten nicht mehr erlebte.
Michelangelo ließ als erste Maßnahme eine neue Ziegelwand vor die Stirnwand mauern. Diese Mauer ist leicht nach innen geneigt, damit sich nicht so leicht Staub ablagern kann. Dummerweise gingen dabei die alten Fresken aus dem 15. Jhd. verloren, darunter auch die von Michelangelo selbst ausgemalten Lünetten.
Im Zentrum des "Jüngsten Gerichtes" steht Jesus umgeben von diversen Heiligen. Links sind die Menschen dargestellt, die am Tag des Jüngsten Gerichtes erlöst werden, rechts diejenigen, die der eigen Verdammnis anheim fallen - das sind die meisten.
Bei den Engeln, die die Posaunen des jüngsten Gerichtes blasen, sind auch zwei, die die Bücher mit den Namen der Seligen (kleines Buch) und den der Verdammten (großes Buch) halten.
1563 empfahl das Konzil von Trient, in geheiligten Räumen nur noch Werke auszustellen, die ein "Decorum" hätten und den heiligen Schriften entsprächen.
Michelangelos Figuren hatten leider kein "Decorum". Daraufhin wurde sein ehemaliger Schüler Daniele da Volterra beauftrag diesen Makel zu beheben. Er bedeckte die Blößen einiger Figuren mit Lendentüchern und anderen peinlichen Zugaben. Diese Arbeit brachte ihm den Spitznamen "Il Braghettone" also "der Unterhösler" ein. Weitere "Abdeckungen" wurden auch in späteren Tagen noch angebracht.
Bei den Restaurierungarbeiten Ende des 20. Jhds. entschied man, einzig die Eingriffe Daniele da Volterras zu belassen und die anderen zu entfernen.
Diese Restaurierungsarbeiten ließen viele Kunsthistoriker in Verzweiflung stürzen. Man hatte bislang geglaubt, dass Michelangelo seine Arbeiten mit dezenten, gedeckten Farben angelegt hatte. Unter dem Ruß und Schmutz von vier Jahrhunderten kamen jetzt aber satte leuchtende Farben zum Vorschein. Eine kleine Ecke wurde ungereinigt belassen, um den Unterschied zu verdeutlichen (8).
Die Sixtinische Kapelle ist wahrscheinlich das größte Gesamtkunstwerk westlicher Kultur. Interessanterweise betreten die Touristen die Kapelle durch eine Tür, die direkt unter der Stelle im "jüngsten Gericht" liegen, an der die Verdammten in die Hölle fahren.