Sakrileg

Ein Buch macht mächtig Wirbel - aber es ist halt doch nur ein Roman

 

Dan Browns Roman „Sakrileg“ heißt im amerikanischen Original „The Da Vinci Code". Wer das Buch nicht kennt aber noch lesen will, der sollte jetzt aufhören zu lesen, denn sonst ist die Überraschung wirklich weg. Auch wer den Kinofilm noch unbefangen sehen will, sollte jetzt aufhören.

Es ist übrigens ein Roman, keine historische Abhandlung! Wirkt aber leider so, bzw. wird so kommuniziert.
Die Handlung im Buch geht anfangs darum, die Ermordung des Louvre-Chefkurators aufzuklären. Dabei stoßen der Held Robert Langdon und seine Begleiterin Sophie Neveu auf eine Spur, die damit endet, dass der Heilige Gral kein Gegenstand sondern ein Symbol für die weibliche Gebärfähigkeit ist. Dazu kommt noch, dass die beiden herausfinden, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war und sie Nachkommen hatten. Und Beweise dafür werden vom Vatikan unterdrückt.

Über Nachkommen Jesu schrieben vor Dan Brown allerdings schon drei britische Sachbuchautoren. Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln kamen bei einer Recherche auf eine Spur und schrieben dazu in den achtziger Jahren das Buch „Holy Blood, holy Grail", das 1982 als „Der heilige Gral und seine Erben“ auch auf deutsch erschien. Die Autoren untersuchten damals eine Geschichte um die „Prieuré de Sion“ in Frankreich. Am Ende schlossen sie, dass Jesus und/oder nur Maria Magdalena an der Küste Südfrankreichs anlandeten, und deren Nachkommen später u.a. das Geschlecht der Merowinger (Frankenherrscher vor Karl Martell und Karl dem Großen) bildeten. Dabei sei auch das Wort „Heiliger Gral“ vom französischen „sang real“ abzuleiten, da dieses zu „san graal“ - „heiliges Gefäß“ wurde. „Sang real“ bedeutet auf deutsch „königliches Blut“ (sang - Blut, real - königlich) und das würden die Nachkommen Jesu noch heute in sich tragen.
Und so gab es dieses Geheimnis bewahrende Großmeister der Prieuré de Sion, die in ihrem Amt historischen Größen wie eben Leonardo da Vinci, Issac Newton und Claude Debussy nachfolgten.

Dan Brown kannte das Buch der drei Briten. Es wird sogar im Roman erwähnt. Und die Romanfigur Sir Leigh Teabing ist ein Anagram, denn Teabing steht für Baigent.

Maria Magdalena als palästinensisches „Boat People“ in Südfrankreich ist nicht neu, es ist eine mittelaterliche Legende. Im 9. Jahrhundert kam auf, dass Maria mit drei anderen Frauen dort ankam. Vor Ort hatte sie dann mit der Christianisierung begonnen. Fünf Orte behaupteten im Mittelalter, dass bei ihnen Maria Magdalena begraben sei. Reliquien finden sich u.a. in der Basilika in Vézelay.

Im um 160 n. Chr. entstandenen Philippus-Evangelium (gehört nicht zur Bibel) steht, dass Jesus Maria Magdalena auf den Mund geküsste und sie mehr als alle Jünger geliebt hat.

Die von solchen Quellen behauptete besondere Bedeutung Marias oder ihre Rolle als führende Jüngerin wird der katholischen Kirche ablehnend betrachtet.

Auch als Romanidee sind Kinder von Jesus und Maria Magdalena nicht neu. Beispielsweise erschien in den neunziger Jahren Peter Berlings Mittelalterroman „Die Kinder des Grals".

Dan Browns Roman ist allerdings richtig erfolgreich. Bislang sollen 40 Millionen Exemplare verlegt worden sein. Er lässt die Handlung in unserer Zeit spielen und bringt einen Berg von Hinweisen, die sich auf reale Orte und Einrichtungen beziehen. Das Buch und der mit Tom Hanks gedrehte Film haben noch einen erfreulichen Nebeneffekt für die genannten Schauplätze - Touristen, die mal ganz nachschauen wollen.
Dabei kommt aber heraus, dass da doch viel dichterische Freiheit mit drin. Im Großen wie im Kleinen, im Buch wie im Film.

So gibt es bei der Tür zur Grande Galerie im Louvre kein Gitter wie im Roman. Und auch Caravaggio-Gemälde hängen 200 Meter weiter weg, als es Dan Brown beschreibt.

Und natürlich ist die Pariser Kirche Saint-Sulpiece nicht aus den Resten eines alten Isis-Tempels erbaut.
Die Filmaufnahmen in Westminster konnten nicht vor Ort in Westminster Abbey gedreht werden. Das Team wich in die Kathedrale von Lincoln aus.

Szenen in der päpstlichen Residenz Castel Gandolfo und dem Ferienhaus des Louvre-Direktors wurden in den englischen Landschlössern Belvoir Castle und Burghley House gedreht.

Die im Buch beschriebene Kirchenorganisation „Opus Dei“ gibt es, aber sie ist kein Orden. Opus Dei (lat. für Werk Gottes) ist eine Personalprälatur, ein Bistum ohne Land. Und sie baut keine eigenen Kirchen.

Brown beschreibt Leonardo Da Vinci als Homosexuellen. Seine Tagebücher geben aber darauf keinen Hinweis. Und selbst wenn? Leonardo soll laut Buch über hundert Auftragswerke für den Vatikan gemalt haben. Tatsächlich malte er 17 Bilder und eines für den Vatikan.

Teilweise scheinen in der deutschen Romanübersetzung Korrekturen zu sein. So sind die Maße der Felsengrottenmadonna berichtigt.

Dann verwechselt Dan Brown die Könige von Jerusalem Balduin I. und Baduin II.

Leonardos Bild "Das letzte Abendmahl" im Speisesaal der Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie in Mailand soll auch Hinweise auf das Verhältnis von Jesus und Maria Magdalena geben. Das ist aber reine Spekulation. Die "feminine" Figur ist mitnichten Maria sondern der Jünger Johannes. Einer These zu Folge entsprechen die 12 Apostel auch den 12 Tierkreiszeichen. Nach dem von Erich von Beckerath austüftelten System müsste Johannes dem Sternzeichen "Waage" entsprechen und die "Waage" wird vom Planeten Venus beherrscht. Judas steht für den "Skorpion", der u.a. auch für Geheimnistuerei und Verrat steht. Apostel Thaddäus sieht Leonardo relativ ähnlich und steht auch unter dessen eigenem Sternzeichen "Stier". Andere seriöse Historiker weisen auch darauf hin, dass es für einen Künstler des 15. Jhs. völlig undenkbar gewesen wäre, in einem Abendmahl eine Magdalena darzustellen.

Auch die vielen anderen Indizien, die Brown im Abendmahl "findet" sind reine Fiktion, bzw. frei in das Bild hinein interpretiert.

Maria Magdalena war übrigens die Frau der Jesus 7 Dämonen ausgetrieben hat. Die Annahme, das es sich bei ihr um die ehemalige Prostituierte gehandelt hat wurde von der katholischen Kirche 1969 offiziell für falsch erklärt. Sie wird von allen Evangelisten erwähnt.

Der Heilige Gral wird im Buch als besondere frühchristliche Reliquie dargestellt - logisch, bei der Lösung. Allerdings stammt die Gralslegende wie wir sie im Zusammenhang mit König Arthur kennen, aus dem 12. Jahrhundert. Demnach kam im Jahr 64 n. Chr. Joseph von Arimathäa, der das Blut Jesu mit einem Kelch aufgefangen hatte, nach England.

In der Überlieferung ist der Gral als legendäre Schale, Becher oder Stein bekannt.

Nebenbei: In der Kathedrale von Valencia gibt es einen Achatkelch, der dort als der Heilige Gral verehrt wird. Der Becher soll aus dem 1. Jahrhundert vor Christus stammen. Und dann galt noch die habsburgische Achatschale in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums der Wiener Hofburg als Heiliger Gral.

Im Roman ist die Rede von 80 Evangelien, aus denen die vier bekannten zusammengesucht wurden. Bibelforscher gehen allerdings davon aus, dass es 17 Evangelien gab.

Auch wurden die gültigen Evangelien nicht handstreichartig beim Konzil von Nicäa beschlossen und andere Evangelien aus der Welt verbannt. Bis heute kann man noch Bibeln mit den „Apokryphen“ kaufen.

Auf dem Konzil wurde auch nicht über die Frage, ob Jesus Gott oder Mensch gewesen sei gestritten. Es ging darum, ob Jesus gleichwertig mit Gott oder ihm untergeordnet sei.

Dan Brown beschreibt im Buch die in Qumran gefundenen Schriftrollen als frühe christliche Quellen. Diese Dokumente entstanden allerdings vor Jesus Wirken. Auch hat der Vatikan wenig Einfluss auf diese Fundstätte, da sie von der israelischen Antikenverwaltung betreut wird.

Die Dokumente zu den „Prieuré de Sion“ sind die deutlichsten Hinweise auf Nachkommen Jesu. Angeblich sind es Tempelritter und ihre Nachfahren, die in Jerusalem das Geheimnis von Jesus' Nachkommen entdeckten.

Die Prieuré kommen auch bei Dan Brown vor. Und es gab tatsächlich in Orléans eine Prieuré de Sion zwischen 1100 und 1627. Und sie verehrten auch Maria Magdalena.

Allerdings sind die ab 1950 aufgetauchten Dokumente über Nachkommen Jesu und die Prieuré de Sion mit ziemlich großer Sicherheit Fälschungen, die damals vom Franzosen Pierre Plantard angefertigt wurden. Im Jahr 2000 - 18 Jahre nach dem Buch „Holy Blood, Holy Grail“ - gab er dies in einem Prozess sogar zu.

Auch in seinem Buch "Illuminati" hat sich Dan Brown schon einige Indizien zurechtgebastelt: Im Buch weist eine Taube auf einem Obelisk in Rom Richtung Hauptquartier der Illuminaten: der Engelsburg. Was natürlich ein klarer Hinweis ist. Tatsächlich aber wird die Taube regelmäßig von der Stadtreinigung abgeschraubt, gesäubert und wieder draufgesetzt. Dabei geht aber die Ausrichtung verloren. Ob die Taube also in Richtung Engelsburg weist, ist Zufall.


nach oben  Startseite