Die Karikaturenkrise

Ein paar Bilder und die Welt dreht durch.

 

Sommer 2005: Kåre Bluitgen, ein dänischer Kinderbuchautor lebt im Kopenhagener Multikulti-Viertel Norrebro und seine Kinder gehen auf eine Schule mit hohem Immigrantenanteil.

Er sucht einen Illustrator für sein Buch über das Leben des Propheten Mohammed. Aber da es im Islam das Verbot der bildlichen Wiedergabe des Propheten gibt, findet sich kein Illustrator, der sich nicht vor der möglichen Rache fundamentalistischer Moslems fürchtet.

Der Kulturchef der rechtskonservativen dänischen Tageszeitung „Jyllands-Posten“ (in Deutsche übersetzt: Jütland-Post) bittet daraufhin - gegen die „Selbstzensur“ - 40 dänische Zeichner Karikaturen anzufertigen.

Jyllands-Posten ist eine der größten, wenn nicht die größte dänische Tageszeitung. Sie hat eine tägliche Auflage von ca. 150.000 Exemplaren. Ekstra Bladet, eine dänische Boulevardzeitung, hat eine tägliche durchschnittliche Auflage von 111.000 Exemplaren.

12 Zeichnungen werden unter dem Titel „Das Gesicht Mohammeds“ am 30. September 2005 in der Wochenendausgabe der Zeitung veröffentlicht. Darunter auch eine Zeichnung, in der Mohammed kein Prophet, sondern ein Siebtklässler vor einer Tafel mit einem arabischen Text ist. Und auf dieser Tafel steht: „Jyllands-Postens Redaktion ist eine Bande reaktionärer Provokateure.“

Da wenige Moslems in Dänemark „Jyllands-Posten“ lesen, kommt erstmal keine ernstzunehmende Reaktion. Bis die Zeitung dann eine Woche später bei islamischen Organisationen mal nachfragt.

Die moslemischen Organisationen fordern natürlich eine Entschuldigung.

3000 Moslems demonstrieren daraufhin im Oktober in Kopenhagen friedlich gegen die Zeitung.

Es kommt aber auch zu Drohungen, die dänische Polizei deutet die Entwicklung als bedrohlich und bewacht „Jyllands-Posten“. Die Zeitungsmacher bemängeln die Solidarität ihrer Pressekollegen.

Andere Chefredakteure sehen im November 2005 im Handeln von „Jyllands-Posten“ aber eher eine Provokation. Der Chefredakteur vom „Kristeligt Dagblad“ vergleicht die Aktion mit der eines Schülers, „der 'Pussy' auf die Tafel schreibt, um zu sehen, was die Lehrerin sagt.“

Moslems in Dänemark protestieren, fühlen sich aber übergangen.

Am 19. Oktober 2005 wollen elf Botschafter islamischer Staaten (darunter Ägypten, Bosnien-Herzegowina, Indonesien, dem Iran und der Türkei) wegen der Bilder mit dem den dänischen Premierminister Anders Fogh Rasmussen sprechem, der aber lehnt das ab: „In Dänemark nehme die Politik keinen Einfluss auf die Presse."

Am 27. Oktober 2005 erstatten elf dänische islamische Organisationen Anzeige wegen Blasphemie.

Im Dezember 2005 fährt eine Delegation dänischer Moslems mit den 12 Zeichnungen aber noch anderen - eindeutig geschmacklosen - Bildern nach Ägypten und treffen sich mit Vertretern der Arabischen Liga und der Al-Azhar Universität.

Nebenbei machen Gerüchte die Runde. So wird verbreitet, die dänische Regierung habe „einen neuen Koran“ in Auftrag gegeben. Auch sei der Eindruck entstanden, die Zeitung „Jyllands-Posten“ sei Eigentum des dänischen Premierministers Anders Fogh Rasmussen.

Pia Kjærsgaard, die Parteivorsitzende der rechtspopulistische Dansk Folkeparti bezeichnet dänische Moslems, die ihr religiöses Empfinden über die Meinungsfreiheit stellen, als Landesverräter.

22 ehemalige dänische Botschafter fordern im Dezember ihren Regierungschef auf, mit Vertretern der islamischen Staaten zu sprechen.

Am 29. Dezember 2005 kritisieren Außenminister der Arabischen Liga Dänemark.

Am 6. Januar 2006 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Blasphemie ein.

Die christliche norwegische Zeitung Magazinet druckt die Karikaturen am 10. Januar 2006 ab.

Ab dem 26. Januar 2006 werden dänische und norwegische Waren in einigen arabischen Staaten boykottiert.

Libyen schließt seine Botschaft in Kopenhagen, Saudi-Arabien zieht seinen Botschafter ab. Die Innenminister 17 arabischer Staaten beschließen in Tunis eine Resolution, dass die dänische Regierung die Urheber der Karikaturen „streng bestrafen“ müsse.

Die dänische Regierung formuliert ein Bedauern, bleibt aber dabei, dass in Dänemark Pressefreiheit gelte.

Viele Moslems, die die Abbildungen gesehen haben, ärgern sich über die Karikatur, die Mohammeds Kopf als Bombe mit brennender Lunte zeigt, weil sie das Klische „Moslem=Terrorist“ bedient.

Laut dem Islam-Forscher Michale Lüders sind die Karikaturen „für jeden gläubigen Muslim eine böswillige Blasphemie."

Ägyptische Intelektuelle sehen darin einen Ausdruck der in Europa grassierende Islam-Feindlichkeit. Bei einer veralbernden Darstellung Mohammeds hören für viele der Spass und die Toleranz auf.

Am 30. Januar entschuldigt sich „Jyllands-Posten“ für die „Kränkung vieler Muslime“.

Am 1. Februar drucken deutsche Zeitungen einige bis alle Karikaturen ab. Das französische Boulevard-Blatt „France Soir“ veröffentlicht mit der Schlagzeile „Es ist erlaubt, Gott zu karikieren“ die zwölf Zeichnungen.

Am Abend wird der Chefredakteur der französischen Zeitung gefeuert. Der Besitzer, der Ägypter aber auch Franzose und zudem katholisch ist, entschuldigte sich.

Am 2. Februar 2006 schließt die EU ihr Büro in Gaza, weil es von palästinensischen Extremisten belagert wird.

Deutsche Politiker lehnen die Gewalt aber auch eine Kritik an der Presse ab.

„Warum sollte sich die Regierung für etwas entschuldigen, was in Ausübung der Pressefreiheit passiert ist? Wenn sich da der Staat einmischt, dann ist das der erste Schritt zur Einschränkung der Pressefreiheit.“
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, CDU

„Muslime müssen genau so wie die christlichen Kirchen und Juden Kritik und Satire ertragen. Wer wegen einer unangemessenen Mohammed-Karikatur mit Bombe im Turban mit Bombendrohung reagiert, gibt denen recht, die dieses Bild für eine Beschreibung des Islam halten.“
Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion,

Am 3. Februar stürmen Demonstranten auf die dänische Botschaft in Indonesiens Hauptstadt Jakarta. Die Regierung der USA bezeichnet die Karikaturen als beleidigend. Für den britischen Außenminister Jack Straw ist der Nachdruck „beleidigend und respektlos“. In London demonstrieren hunderte von Moslems gegen die Karikaturen.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan verurteilt die Veröffentlichung und fordert, dass der Pressefreiheit Grenzen gesetzt werden müssten.

Der Chefredakteur der jordanischen Zeitung „Shihan“ lässt drei Mohammed-Karikaturen drucken. Im Kommentar stellt er die Frage, inwieweit Selbstmordattentäter oder ausländische Karikaturisten mehr dem Islam schaden? Er wird sofort entlassen und entschuldigt sich am nächsten Tag.

Am 4. Februar brennen die dänische und norwegische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus. In Gaza wird ein deutsches Kulturzentrum angegriffen.

Der Iran prüft Wirtschaftssanktionen gegen europäische Staaten, in denen die Karikaturen erschienen sind.

Pakistan lehnt „den Vorwand der Pressefreiheit zur Veröffentlichung dieser Karikaturen ab, da Meinungsfreiheit nicht eine Abwesenheit jeglicher Werte, Ethik oder Gesetze bedeutet.“

Die Karikaturen in einer dänischen Zeitung zeigten den muslemischen Propheten unter anderem mit einem Turban in Form einer Bombe. Das deutsche Blatt "Die Welt" und andere Zeitungen hatten die Bilder nachgedruckt. Pakistan zitierte auch Diplomaten aus Frankreich, Italien, Spanien, Ungarn, Norwegen, Tschechien, den Niederlanden und der Schweiz ins Außenministerium.

Am 5. Februar brennt die dänische Botschaft in Beirut.

Ein Artikel der ZEIT berichtet, dass radikale Moslems in Dänemark mit der Situation sehr zufrieden sind: „Wir müssen gar nicht missionieren, die jungen Leute rennen uns von selbst die Türen ein.“

Hintergrund

Im Koran gibt es , wie in der Bibel, das Gebot, dass man sich kein Bild von Gott machen solle.

Im Islam wurde darauf die Tradtion gegründet den Propheten Mohammed, die Prophetengefährten und die vier ihm nachfolgenden Kalifen nicht abzubilden. Daraus entwicklete sich eine allgemeine Bilderlosigkeit. Künstlerisches Schaffen fand sein „Ventil“ in der Kalligraphie (Schriftkunst) und kunstvollen Ornamenten. So ist die „Arabeske“ ein stilisiertes Blattrankenornament in der islamischen Kunst. Die „Maureske“ kam im 16. Jahrhundert mit den moslemischen Mauren nach Europa. Sie besteht aus Pflanzenranken mit stilisierten Blättern und Blüten.

In persischen Malereien des Spätmittelalters sieht man den Propheten häufig mit Heiligenschein aber immer ohne Gesicht. Dort befindet sich weißer Fleck.

Es gibt auch einen Film über Mohammed. In dem 1964 gedrehten Film sieht man den Propheten ursprünglich nur von hinten. Aber da die für Glaubenfragen maßgebliche Azhar-Universität in Kairo das ablehnte wurden alle Mohammed-Szenen durch gleißendes Weiß ersetzt.

In islamischen Ländern gibt es auch Karikaturen. Gern gezeichnet werden die örtlichen Politiker oder auch der irakische Ex-Diktator Saddam Hussein. Allerdings wird man auch aus diplomatischen und politischen keine respektlosen Karikaturen arabischer Monarchen veröffentlichen.

Karikaturen bei großen ägyptischen Zeitungen sind fast ein Markenzeichen des jeweiligen Blattes. Lange wurde der Staatpräsident Mubarak nicht gezeichnet. Aber die Religion wird nicht karikiert.

Allerdings wird beim Thema Israel dann doch gerne der Holzhammer rausgeholt. Dann spritzt zeichnerisch das Blut und rotiert das Hakenkreuz.

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Einen „Blasphemie"-Paragraphen haben wir auch in Deutschland:

§ 166

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die Formulierung „geeignet ist“ macht ihn zu einem Gummiparagraphen. Und die Formulierung „den öffentlichen Frieden zu stören", lässt denVerdacht aufkommen, dass man Minireligionen locker beschimpfen kann, da diese gar nicht die Manpower aufbringen können den öffentlichen Frieden zu stören.

 



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