Georg BÜchner

Der bekannteste Darmstädter von allen..

 

"Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm."
Alfred Döblin

In Goddelau, einem Dorf im damaligen Großherzogtum Hessen, wenige Kilometer südwestlich von Darmstadt, wurde Georg Büchner als ältester Sohn von Caroline Büchner, geb. Reuß, und Dr. Ernst Büchner – damals Kreis-Chirurg des Amtes Dornberg – am 17. Oktober 1813 geboren. Die Eltern lebten in einem gemieteten Zimmer in einem Bauernhof in dem heute ein kleines Büchner-Museum beheimatet ist. Drei Personen auf ca. 15 Quadratmetern.

Büchners Vater war damals als Arzt in der psychiatrischen Heilanstalt tätig, die heute nach ihrem Gründer Philipp dem Gutmütigen "Philipphospital" heißt.

1816 zog die Familie nach Darmstadt um wo Büchner ab 1819 die »Privat-Erziehungs- und Unterrichtsanstalt« von Carl Weitershausen besuchte. 1825 ging er an das Darmstädter humanistische Gymnasium.

Aus seiner Schulzeit haben sich über 600 Seiten mit Schriften erhalten, die als Aufgaben im Rahmen des Unterrichts verfaßt wurden. Neben Georg hatten die Büchners noch 5 weitere Kinder, die durchaus auch beachtliche Leistungen erbrachten:

Wilhelm kam mit seiner Farbenfabrik für Ultramarin zu großem Reichtum und war Landtags- und später auch Reichtagsabgeordneter für die liberal-demokratisch ausgerichtete "Fortschrittspartei"

Luise setzte sich mit mehreren Schriften (u.a. ihrem Buch Die Frauen und ihr Beruf, 1855) für die Rechte der Frauen ein. Sie motivierte u.a. Alice von Hessen-Darmstadt Ausbildungs und Verdienstmöglichkeiten für Frauen zu schaffen, die damals üblicherweise unbezahlt arbeiteten (z.B. in der Krankenpflege)

Ludwig Büchner verfaßte mit "Kraft und Stoff" (1855) eines der meistgelesenen philosophischen Werke seiner Zeit, das in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Er vertrat darin eine radikal materialistische Weltanschauung; darüberhinaus stand der praktizierende Arzt der sozialdemokratischen Bewegung nahe.

Alexander, später Literaturprofessor in Frankreich, beteiligte sich an der 1848er Revolution und wurde sogar wegen radikal-demokratischer Ansichten vor Gericht gestellt.

Nur Mathilde, die zweitälteste, (geboren 1815), wurde keine Person der Öffentlichkeit.

Büchner hatte schon als Schüler ein scharfes politisches Bewußtsein entwickelt, und zeigte, wie auch viele seiner Mitschüler, seine republikanische Haltung beispielsweise durch seine Kleidung ziemlich offen. Allerdings war er im Gegensatz zu einigen Schulkameraden nicht Mitglied konspirativer oder zumindest oppositioneller Kreise. Büchner dachte damals, dass die Situation für revolutionäre Handlungen nicht reif sei.

Im November verließ Büchner Darmstadt, um in Straßburg Medizin zu studieren.

Darmstadt war damals politisch ziemlich konservativ. Im Vergleich zu anderen Städte gab es hier einen ziemlich hohen Anteil an Soldaten und Beamten in der Bevölkerung. Nur schätzungsweise 30% der Darmstädter waren Bauern oder ähnliches. Allerdings gab es ein reges kulturelles Leben. Das Darmstädter Theater hatte 2000 Plätze -bei einer Bevölkerungszahl von ca. 25.000 nicht gerade wenig.

Aber trotzdem war Darmstadt in einer anderen Liga angesiedelt als Straßburg, wo Georg bei entfernten Verwandten seiner Mutter unterkam. Er wohnte bei Pfarrer Johann Jakob Jaeglé, und lernte auf diese Weise dessen Tochter Wilhelmine (Minna) kennen. Zwischen beiden entstand bald eine enge Beziehung, die zur – allerdings zunächst heimlichen – Verlobung führte. (Zumindest liest man es so züchtig in der Literaturgeschichte. Wahrscheinlich hatten die beiden ein handfestes Verhältnis hinter dem Rücken des Pfarrers.)

Die Angst vor der Reaktion des kontrollsüchtigen Vaters hielt Georg davon ab, die Liaison nach hause zu beichten. Erst zwei Jahre später gestand er seinen Eltern das Verhältnis. Prompt ging Dr. Ernst Büchner an die Decke. Allerdings nicht, weil er prinzipiell etwas gegen die Zukünftige des Sohnemanns hatte, nein, dessen eigenmächtiges Verhalten brachte ihn auf die Palme.

Man darf jetzt aber nicht denken, dass Büchner ausschließlich negative Erfahrungen mmit seinem Vater hatte. Von ihm erbte er immerhin auch den analytischen Verstand, der ihm als Mediziner und als Beobachter der sozialen Verhältnisse zu Nutze war.

In Straßburg wurde Büchners Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Fragen noch intensiver. Er las viel und bei Diskussionen in seinem Freundeskreis entstand nach und nach eine Haltung, die um einiges radikaler war, als die seiner Bekannten.

Aber er blieb bei der Auffassung, dass revolutionäre Umtriebe in Deutschland noch keine Aussicht auf Erfolg hätten. Am Hambacher Fest 1832 bei welchem rund 30.000 Menschen gegen die politischen Verhältnisse demonstrierten, nahm er nicht teil. Und auch den "Frankfurter Wachensturms" vom 3. April 1833, ein schlecht organisierten Revolte-Versuch, der neun Tote und mehrere Verletzte forderte, lehnte er ab.

"...weil ich im gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht bereites Volk sehen. Diese tolle Meinung führte die Frankfurter Vorfälle herbei, und der Irrtum büßte sich schwer." (Brief an die Eltern vom [ca. 6.] April 1833)

Dafür ging er seinen literarischen Interessen nach; hier spielten vor allem die Stoebers, Freunde aus Straßburg, eine wichtige Rolle: 1831 veröffentlichte der Vater eine Biographie seines Lehrers, des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin, und August Stoeber publizierte im selben Jahr einen Artikel, in welchem er über bis dahin unbekannte Aspekte aus dem Leben des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz berichtete.

Im August 1833 kehrte Büchner nach Darmstadt zurück, um – wie es die hessischen Gesetze verlangten – sein Studium in Gießen abzuschließen. Gießen war damals die einzige Hessen-Darstädtische Universität. Gießen, mit seinen wenigen Tausend Einwohnern, führte Büchner die geistige Enge seiner Heimat deutliche vor Augen hinzu kam natürlich auch die Trennung von Minna. Diese beiden Umständen belasteten seine ohnehin depresssive Grundverfasssung.

Im November, kurz nach Semesterbeginn, erkrankte er an Hirnhautentzündung und blieb bis zum Jahresende im Elternhaus; nach Wiederaufnahme des Studiums verfiel er im Februar 1834 in eine schwere depressive Krise.

In dieser Zeit beginnnt Büchner aber auch die Notwendigkeit des politischen Handelns einzusehen. In Gießen gründet er mit einigen Gesinnungsgenossen (u.a. Karl Minnigerode, Jakob Friedrich Schütz und Gustav Clemm) eine »Gesellschaft der Menschenrechte«, die er auch um eine Darmstädter Sektion erweiterte.

Über einen Gießener Freund lernt er Anfang 1834 den republikanischen Aktivisten Ludwig Weidig kennen. Mit dem Rektor aus Butzbach verfasst er ein Flugblatt das die beiden auch in Umlauf bringen. Es ist der "hessische Landbote", in dem Büchner seinen sozialrevolutionären Ansatz ("Friede den Hütten, Krieg den Palästen") in aller Schärfe formuliert.

Im Juli wird das Flugblatt in Offenbach gedruckt, und von drei Mitgliedern der "Gesellschaft der Menschenrechte" nach Gießen gebracht. Durch einen Verrat kommt es zu Verhaftungen und Hausdurchsuchungen. Einige Exemplare des "Landboten" weren konfisziert. Gegen Büchner fehlen allerdings noch Beweise.

Im Januar 1935 beginnnt Büchner mit der Arbeit an seinem ersten Drama "Dantons Tod" in dem er die Ereignisse der Französischen Revolution thematisiert. Ein - aus Zensurgründen gekürzter - Vorabdruck erscheint in der Literaturzeitschrift "Phönix".

Nachdem die hessischen Behörden ihre Ermittlungen gegen revolutionäre Kreise intensiviert hatten und Büchner selbst mehrmals vorgeladen wurde, entschließt er sich zur Flucht. Eine längere Haft hätte der latent depressive Büchner wohl kaum überstanden. Der kommenden Verhaftungswelle fällt auch Ludwig Weidig zum Opfer, er wird in Darmstadt eingesperrt.

Büchner flieht nach Straßburg wo er sich unter falschem Namen, als Weinkellner Jacques Lutzius anmeldet. Erst im Herbst erhält er durch Fürsprache einflussreicher Bürger eine Aufenthaltsgenehmigung.

Er übersetzt binnnen zwei Monaten zwei historische Dramen von Victor Hugo (Marie Tudor und Lucrèce Borgia) für die mehrbändige Hugo-Ausgabe bei Sauerländer ins Deutsche.

Parallel dazu beginnt er mit der Arbeit an der Novelle "Lenz".

August Stoeber liefert ihm dafür neben anderen Dokumenten auch eine Abschrift von Oberlins Bericht über den Aufenthalt Jakob Michael Reinhold Lenz’ in seinem Elsässer Pfarrhaus. War die unglückliche Figur des "Sturm und Drang" für Büchner schon seit der Studienzeit eine interessante Gestalt gewesen, so hatte er nun, im Exil, die nötige Energie, diesem Sujet konkrete Form zu geben.

Da Büchners Einkommen eher mäßig war beschloss er einen "ehrbaren" Beruf zu ergreifen und begann er im Spätherbst 1835 mit der Arbeit an einer Dissertation über die Schädelnerven der Fische. Den ganzen Winter sezierte er hauptsächlich Flussbarben die wegen ihres niedrigen Preises und ihres massiven Skeletts besonders geeigneten waren.

Damals waren die Wissenschaftsbereiche nicht so scharf getrennt, und so sah er, der ja Medizin studiert und sich mit Philosophie beschäftigt hatte, die Chance, in Zürich die Doktorwürde und eine Dozentur zu erhalten, und suchte sich "einen philosophischen oder naturhistorischen Gegenstand" (Brief an die Eltern vom Oktober 1835).

Eine Abschrift seiner Disssertationreichte Büchner bereits bei der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich ein, die ihn am 3. September 1836 zum Dr. phil. ernannte. In der Schweizer Stadt hoffte Büchner eine Anstellung zu erhalten.

Im Wintersemester 1936/37 trat er seine Vorlesungen über vergleichende Anatomie in Zürich an. Aber direkt nach der Fertigstellung der Doktorarbeit, begann Büchner mit der Arbeit an dem Lustspiel "Leonce und Lena", das er für einen Wettbewerb schrieb. Er vollendete das Stück innerhalb eines Monats, doch durch die Verzögerung auf dem Postweg (ein sehr modernes Missgeschick), traf es erst nach Einsendeschluss beim Verlag ein.

Am 18. Oktober 1836, einen Tag nach Büchners 23. Geburtstag, reiste er nach Zürich ab, wo er am 5. November seine Probevorlesung Über Schädelnerven hielt und, zum Privatdozenten ernannt wurde.

Büchner hatte in der Spiegelgasse Nr. 12 ein Zimmer gefunden und war Nachbar des Ehepaars Caroline und Wilhelm Schulz, ebenfalls Exildeutsche, mit denen er eine enge Freundschaft knüpfte.

Politische Aktivitäten unterließ er in der Schweiz um seinen Asylantag nicht zu gefährden. Seiem gewohnt immensen Arbeitspensum tat das jedoch keinen Abbruch.

Am 2. Februar 1837 mußte er wegen Fiebers im Bett bleiben. Trotz der Pflege durch die Schulz’ trat keine Besserung ein. Als Minna Jaeglé am 17. Februar endlich ans Krankenbett trat, hatte die inzwischen diagnostizierte Typhusinfektion Georg Büchner schon fast besiegt.

Am 19. Februar 1837 starb er gegen vier Uhr nachmittags. Zwei Tage später fand das Begräbnis auf dem Zürcher Friedhof am Zeltberg statt; nach dessen Einebnung wurden Büchners sterbliche Reste 1875 auf den Germaniahügel am Zürichberg umgebettet, wo auch ein Gedenkstein errichtet wurde.

Als Sozialreformer und Revolutionär spielte Büchner wahrscheinlich nie die Rolle, die ihm oft zugedichtet wird (reformerisch wirkte viel eher und wirksamer seine Schwester Luise) aber als Litarat war er seiner Zeit und seiner Sprache um fast 100 Jahre vorraus.

Am 23. Februar 1837, vier Tage nach Georg Büchner, stirbt der Mitverfasser des "Hessischen Landboten" Ludwig Weidig in seiner Zelle. Er starb nach fast zwei Jahren Gefangenschaft an den Folgen der ständigen Misshandlungen und Verhöre. Der zuständige Arzt, der die Obduktion des Toten durchführen soll ist Büchners Vater - er lässt sich krank schreiben.

 

Der Georg-Büchner-Preis

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt wurde am 200. Geburtstag Goethes, dem 28. August 1949, in der Paulskirche zu Frankfurt gegründet. Ihre Mitglieder sind Schriftsteller und Wissenschaftler, die mit ihrem Werk die deutsche Sprache und Literatur bereichert und erforscht haben und sie überzeugend repräsentieren.

Die Akademie vergibt seit 1951 den angesehensten deutschen Literaturpreis, der den Namen Georg Büchners trägt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die keine staatliche Institution ist, nimmt die umfassende Repräsentation deutscher Dichtung, Sprach- und Literaturwissenschaft von Rang im In- und Ausland wahr.

Seit 1954 gibt sie wichtige, bisher unzugängliche oder auch vergessene Texte von Schriftstellern des 20. Jahrhunderts heraus, die während der nationalsozialistischen Zeit unterdrückt und nach 1945 vergessen wurden. Außerdem werden Preisfragen ausgeschrieben, an denen sich jedermann beteiligen kann; die mit einer Prämie ausgezeichneten Antworten werden publiziert. 1984 ist eine Schriftenreihe "Dichtung und Sprache" begründet worden. Die regelmäßig im Frühjahr und im Herbst abgehaltenen Tagungen der Akademiemitglieder sind auch der Öffentlichkeit zugängliche Foren der Diskussion und der vielfältigen Bemühungen um eine zeitgenössische Sprache und Literatur.

Die Trägerinnen und Träger des Georg-Büchner-Preises

1951 Gottfried Benn

1952 nicht verliehen

1953 Ernst Kreuder

1954 Martin Kessel

1955 Marie Luise Kaschnitz

1956 Karl Krolow

1957 Erich Kästner

1958 Max Frisch

1959 Günter Eich

1960 Paul Celan

1961 Hans Erich Nossack

1962 Wolfgang Koeppen

1963 Hans Magnus Enzensberger

1964 Ingeborg Bachmann

1965 Günter Grass

1966 Wolfgang Hildesheimer

1967 Heinrich Böll

1968 Golo Mann

1969 Helmut Heißenbüttel

1970 Thomas Bernhard

1971 Uwe Johnson

1972 Elias Canetti

1973 Peter Handke

1974 Hermann Kesten

1975 Manès Sperber

1976 Heinz Piontek

1977 Reiner Kunze

1978 Hermann Lenz

1979 Ernst Meister

1980 Christa Wolf

1981 Martin Walser

1982 Peter Weiss

1983 Wolfdietrich Schnurre

1984 Ernst Jandl

1985 Heiner Müller

1986 Friedrich Dürrenmatt

1987 Erich Fried

1988 Albert Drach

1989 Botho Strauß

1990 Tankred Dorst

1991 Wolf Biermann

1992 George Tabori

1993 Peter Rühmkorf

1994 Adolf Muschg

1995 Durs Grünbein

1996 Sarah Kirsch

1997 H.C. Artmann

1998 Elfriede Jelinek

1999 Arnold Stadler

2000 Volker Braun

2001 Friederike Mayröcker

2002 Wolfgang Hilbig

2003 Alexander Kluge

2004 Wilhelm Genazino

2005 Brigitte Kronauer

2006 Oskar Pastior (1927-2006), postum


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