Kaiser...Äh PrÄsidentenwahl in Frankreich

Zuerst einmal einige Informationen über "la France" (in Englisch).

Am Sonntag wird der Präsident der Französischen Republik gewählt. Einige Kandidaten 2002 sind:

Jacques Chirac, Gaullist, amtierender Präsident
Lionel Jospin, Sozialist, Premierminister
Arlette Laguiller, Trotzkistin
Jean-Marie LePen, Nationalist vom Front National
Jean-Pierre Chevènement, Republikaner
Jean Saint-Josse, Jägerlobby
Bruno Megret, auch eine Nationalist
Christiane Taubira, Radikale Partei, die erste farbige Bewerberin

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Der französische Präsident hat eine umfassende Aufgabe und weitreichende Befugnisse.

Die französische Verfassung regelt dies recht ausführlich:

Laut der Verfassung wacht er über deren Einhaltung, er sichert durch seinen Schiedsspruch das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Gewalt sowie den Fortbestand des Staates. Der Präsident garantiert die nationalen Unabhängigkeit, der Integrität des Staatsgebietes und die Einhaltung der Verträge.

Der Präsident der Republik wird für fünf Jahre direkt gewählt. Das ist neu, denn bisher waren französische Präsidenten immer sieben Jahre im Amt. Das wurde unter Präsident Chirac geändert.

Artikel 7 regelt die Wahl des Präsidenten durch das Volk: "Der Präsident der Republik wird mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt. Wird diese im ersten Wahlgang nicht erreicht, so wird am zweiten Sonntag danach ein zweiter Wahlgang durchgeführt. Für diesen dürfen sich nur die zwei Kandidaten zur Wahl stellen, die, gegebenenfalls nach dem Rücktritt von Kandidaten, die mehr Stimmen auf sich vereinigen konnten, im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben."

Bis 1965 wurde der Präsident indirekt von einem Wahlmännergremium gewählt.

Es gibt keinen Vizepräsidenten. Befugnisse des Präsidenten können vorübergehend vom Präsidenten des Senats wahrgenommen werden, wenn es z.B. keinen Präsidenten gibt, oder er sein Amt nicht ausüben kann.

Der Premierminister ist dem Präsidenten gegenüber verantwortlich, denn der Präsident der Republik ernennt den Premierminister. Der deutsche Bundeskanzler hingegen ist vom Parlament gewählt und kann vom Bundestag auch abgewählt werden.

Allerdings ist es auch für einen französischen Präsidenten schwierig an der Nationalversammlung vorbeizuregieren. Deswegen ernennt er in der Regel Premierminister, die mit der Parlamentsmehrheit konform sind. Jahrelang war dies kein Problem, bis unter Mitterrand die Konservativen in der Nationalversammlung die Mehrheit errangen. Jacques Chirac wurde Ministerpräsident und die "Cohabitation", das Zusammenleben, begann.

Das der Premier und der Präsident Richtlinienkompetenzen haben, aber nicht ein und der selben Partei angehören müssen, tauchen manchmal beide auf internationalen Konferenzen auf.

Der Präsident kann die beiden Kammern der Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ansetzen. Das geht natürlich nicht beliebig oft, in dem auf die Wahl folgenden Jahr darf keine erneute Auflösung verfügt werden. Neu gewählte Präsidenten lösen aber dennoch das Parlament gerne auf, um mit dem Schwung ihrer Wahl auch die Parlamentsmehrheit zu sichern. Bei Chirac hatte das leider nicht geklappt, deswegen wurde Lionel Jospin Premierminister.

Der Präsident der Republik ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte

Der Präsident der Republik verkehrt mit den beiden Kammern des Parlaments durch Erklärungen, die er verlesen lässt und über die keine Aussprache stattfindet.

Vive la républic

Frankreich ist seit dem 22.9.1792 Republik. Das war die Erste Republik. Sie hatte noch keinen Präsidenten.

Dann kam Napoleon, er wurde Kaiser der Franzosen und das war es dann erstmal mit der Republik. Nach Napoleon, 1814, begründete Ludwig XVIII. eine konstitutionelle Monarchie.

Mit einer neuen republikanischen Verfassung begann nach der Revolution von 1848 die Zweite Republik.

1871 begann die Dritte Republik. Sie hielt bis 1940 und endete mit der Niederlage Frankreichs im Zweiten Weltkrieg.

Die Vierte Republik hatte nur zwei Staatpräsidenten, instabile innenpolitische Zustände und 26 Kabinette bis 1958.

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Die Französischen Präsidenten:

1848 Louis Napoleon III. war Präsident der Zweiten Republik.
Er war ein Neffe von Napoleon Bonaparte und folgte 1852 seinem Onkel - Er machte er sich zum Kaiser Napoleon III. und wurde in einer Volksabstimmung auch bestätigt. Das war es dann mit der Republik.

Louis Napoleon war Kaiser bis 1870. Im Deutsch-Französischen Krieg wurde er in Sedan gefangengenommen und infolge einer republikanischen Revolution abgesetzt.

1871 Adolphe Thiers

1873 Patrice Maurice de Mac-Mahon

1879 Jules Grévy

1887 Marie François Sadi Carnot
Sadi Carnot wurde von einem Anarchisten ermordet.

1894 Jean Casimir-Perier

1895 Félix Faure,
Er starb auf delikate Weise im Amt - in einem Bordell an einer Gehirnblutung. Das passte irgendwie zu Paris in der Zeit des Fin de Siècle (Ende des Jahrhunderts). Trés francais, oder?

1899 Emile Loubet

1906 Armand Fallières

1913 Raymond Poincaré
Er war während des Ersten Weltkrieges Präsident. Frankreich wurde aber weitestgehend von Georges Clémenceau gelenkt, der Poincaré dabei außen vorließ. Georges Clémenceau war zwar einer der einflussreichsten Politiker seiner Zeit, wurde aber nie französischer Präsident. Die Wahlen von 1920 verlor er gegen Paul Deschanel.

1920 Paul Deschanel
Er trat aber nach wenigen Monaten Amtzeit wegen psychischer Probleme zurückt. Das hätten ein paar Jahre später in Deutschland auch ein paar Leute machen sollen...

1920 Alexandre Millerand

1924 Gaston Doumergue

1931 Paul Doumer

1932 Albert Lebrun

1940 Philippe Pétain
Er wurde nach der Niederlage Frankreichs gegen Deutschland 1941 "Chef de l'État Français." Er bekam alle legislativen, judikativen und exekutiven Vollmachten. Er war Staats- und Ministerpräsident. Er arbeitete anfangs freiwillig, später unter Druck mit dem "Dritten Reich" zusammen. Pétain war ein Nationalheld des Ersten Weltkrieges. Er verteidigte als General 1916-1917 die Festung Verdun erfolgreich gegen die Deutschen. Verdun war eine Schlüsselstellung auf den Weg nach Paris.

Pétain wurde nach Kriegsende wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt. Wegen seines hohen Alters - er war 89 Jahre alt - wurde die Starfe in eine Verbannung umgewandelt. Pétain wurde auf die Insel Yeu vor der westfranzösischen Küste verbannt und starb dort 1951 im Alter von 95 Jahren.

1944 Charles de Gaulle wurde Ministerpräsident und vorläufiger Staatspräsident. Er konnte eine starkes Präsidialsystem nicht durchsetzen und trat 1946 zurück.

Laut dem französischen Präsidialamt gab es zwischen 1940 und 1947 keinen Präsidenten:

Das Verfassungsgesetz vom 10. Juli 1940 markierte das Ende der Dritten Republik, indem es "der Regierung der Republik sämtliche Machtbefugnisse unter der Hoheitsgewalt und der Unterschrift von Marschall Pétain" übertrug, damit er "eine neue Verfassung des Französischen Staates" ausarbeite und verkünde.

Am 3. Juni 1943 wurde das Französische Komitee für die Nationale Befreiung gegründet, dem ab dem 9. November 1943 General de Gaulle vorstand, der die Legitimität des "Französischen Staates", gemeinhin als "Regime von Vichy" bezeichnet, in Abrede stellte.

Kleine Episode am Rande: In den ersten Asterix-Heften steckt auf der Landkarte auf der zweiten Seite die römische Staffette in Vichy. Sie trägt auch keinen römischen, sondern einen deutschen Adler.

Die Verordnung vom 3. Juni 1944 wandelte das Französische Komitee für die Nationale Befreiung in die Provisorische Regierung der Französischen Republik um, die zunächst von General de Gaulle, danach ab dem 27. Januar 1946 von Félix GOUIN und schließlich vom 24. Juni 1946 bis zum 18. Dezember 1946 von Georges BIDAULT angeführt wurde.

1947 wurde Vincent Auriol auf der Grundlage der durch einen Volksentscheid angenommenen Verfassung vom 27. Oktober 1946 der erste Präsident der IV. Republik.

1954 René Coty
Mit der Algerienkrise 1958 (Algerien wollte unabhängig werden, franz. Offiziere in Algerien wollten dies verhindern und putschten gegen Frankreich) beauftragte Präsident Coty General de Gaulle mit der Regierungsbildung.

1959 Charles de Gaulle
De Gaulle erhielt Sondervollmachten für sechs Monate und führte 1958 per Volksabstimmung eine neue Verfassung ein. Damit begann die Fünfte Republik. De Gaulle blieb bis 1969 Präsident und trat infolge eines verlorenen Referendums zurück.

1969 Alain Poher
Eigentlich Präsident des Senats, wurde Interimspräsident vom 20.4 bis zum 20.6.1969

1969 Georges Pompidou
Georges Pompidou starb während seiner Präsidentschaft 1974. Wieder wurde Alain Poher Interimspräsident vom 2.4 bis zum 19.5.1974.

1974 Alain Poher,
Immer noch Präsident des Senats, wurde wieder Interimspräsident.

1974 Valérie Giscard d'Estaing
Giscard war früher Finanzminister und konnte mit Zahlen umgehen wie kein Zweiter. Er wurde auch in einem Asterix-Comic verewigt. Der römische, in Formularen sprechende Steuereintreiber in "Asterix und der Kupferkessel" stellte den damaligen Finanzminister Frankreichs dar.

Außerdem scheint Giscard d'Estaing als einer der letzten Franzosen noch Spezialfälle der französischen Grammatik fließend zu beherrschen.

1981 François Mitterrand
Mitterrand mischte in der französischen Politik seit 1944 mit, damals war er Minister unter de Gaulle. Später war er Minister für Überseegebiete, Innenminister, Justizminister, Abgeordneter und Bürgermeister.

Seit 1875 hatte nur François Mitterrand zwei volle Amtszeiten als Präsident der Republik geschafft, und zwar von 1981 bis 1995.

1995 Jacques Chirac
Der aktuelle Präsident der Fünften Republik. Jacques Chirac hat ein Diplom des Institut d'Etudes politiques aus Paris und war auf der Ecole Nationale d'Administration- kurz ENA, der französischen Eliteschule für zukünftige Politiker.

Er war von Anfang an in der Politik beschäftigt und hatte bestimmt kein Amt ausgelassen und einige sogar gleichzeitig. Er war u.a. Stadtrat, Abgeordneter, Staatssekretär, Minister, Bürgermeister von Paris, Premierminister und ab 1995 schließlich Präsident.

Von 1977-1995 war er Pariser Bürgermeister und von 1986-1988 zugleich Premierminister Frankreichs.

Als er 1995 dann endlich Präsident der Republik wurde, trat er als Pariser Bürgermeister dann doch zurück.


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