Die EU-Osterweiterung - Estland
Anstelle Ostern nur zu feiern, weitert es die Europäische Union mit der EU-Osterweiterung ;-)
Ab 1. Mai 2004 treten der Europäischen Union 10 Staaten bei. Die Beitrittsstaaten in alphabetischer Reihenfolge sind Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.In den nächsten Wochen stellt Willi Weisswas vor was es heimliches und unheimliches über die neuen Partnerländer zu wissen gibt. Los geht es diese Woche mit Estland, neben Lettland und Litauen, einer der drei baltischen Staaten.
Der Begriff "Baltikum" für diese Länder an der Ostsee (engl. Baltic Sea) entstand übrigens erst nach dem Ersten Weltkrieg.
In Estland leben auf 45.227 km² ca. 1,35 Mio. Menschen,davon ca. 400.000 in der Hauptstadt Tallin (früher Reval ). Damit ist der Ostseestaat mehr als doppelt so groß wie das Bundesland Hessen (21.115km² und 6,07 Millionen Einwohner) bzw. fast so groß wie Niedersachsen (47.613 km2, und ca. 7,87 Mio. Einwohner). Es gibt 30.200 km Autostraßen und 1.030 km Eisenbahngleise.
20% der Fläche Estlands sind Sümpfe und Seen, 45% sind Wald (davon 41% Kiefernwälder, 28% Fichtenwälder und 23% Birkenwälder.). In den Wäldern sagen sich Wölfe, Hasen, Bären, Elche, Luchse, Hirsche und Wildschweine gute Nacht.
Der Ostseeküste (mit 3.800 km sechsmal länger als die Festlandsgrenze) vorgelagert sind ca. 1520 Inseln. West-Estland hebt sich wegen der Plattentektonik jährlich um 3mm aus dem Meer, was die Inselbildung befördert. Die größten vier Inseln heißen Saaremaa (Ösel), Hiiumaa (Dagö), Muhu (Moon) und Vormsi (Worms).
Das Land hat vier Nationalparks, 31 Naturreservate, 68 Landschaftliche Reservate und 210 geschützte Gebiete.
Besonders bergig ist Estland nicht, der höchste Punkt ist der Suur Munamägi mit 318 m über NN. Aber es ist der höchste Berg im Baltikum.
Estland (auf estnisch "Eesti", auf englisch "Estonia").wird urkundlich erstmals im Jahre 800 erwähnt (in der Zeit lebte Karl der Große).
Natürlich lebten dort schon vorher Menschen. Die ersten finno-ugrische Stämme kamen vermutlich aus dem Ural und siedelten dort ab 7500 v. Chr.
Im 14. Jahrhundert wurde Estland vom Deutschen Orden erobert. Der Deutsche Orden war eine Ritterorden und wurde eigentlich 1190 während des dritten Kreuzzuges zur Eroberung des Heiligen Landes gegründet. Nachdem die Kreuzzüge aber in die Grütze gingen brauchen die arbeitslosen Ordensritter neue "Missionierungsziele".
Mit dem Ostseeraum fanden sich noch andere mit Christentum und Zivilisation zu beglückende Gebiete. Kaiser Friedrich II. Versprach mit der Goldenen Bulle von Rimini den Rittern, dass sie erobertes und missioniertes Land behalten könnten.
Die Deutschen Kreuzritter eroberten Süd- und Westestland, Dänen Nord- und Ostestland. Für die Esten begann die Leibeigenschaft.
1285 wird Tallinn Hansestadt.
1346 verkauften die Dänen ihre estnischen Gebiete wegen zu großer Unruhen an den Deutschen Orden.
Die Deutschritter herrschten von 1227 bis 1561, da fiel das Gebiet an Schweden. Im zweiten Nordischen Krieg (der in seinen Verheerungen dem 30jährigen Krieg in Mitteleuropa nichts nachstand) eroberte der russische Zar Peter der Große 1721 die "ostschwedische" Provinz.
Trotz der "Russifizierung" (oder gerade wegen) erwachte auch in Estland im 19. Jahrhundert eine Nationalbewegung, die vom Zaren natürlich mit Mißtrauen beobachtet wurde.
In dieser Zeit wurde das über viele Einzelgeschichten verstreute estnische Nationalepos des Esten "Kalevipoeg" (Sohn des Kalev) mit Hilfe der Deutschen Friedrich Robert Faehlmann (1798-1850) und Friedrich Reinhold Kreutzwald (1803-1882) zusammengetragen. Die Hauptfigur des Epos ist "Kalevipoeg", ein Riese und "Kraftmensch", der viele Kämpfe und Abenteuer besteht Das Epos endet mit einer Invasion fremder Mächte und dem Tod des Helden.
Bis 1918 war Estland dann russisch. Erst mit den Wirren der Oktoberrevolution gelang es den Estland und den anderen baltischen Staaten unabhängig zu werden. Als selbstständiger Staat ist Estland also relativ jung.
Am 24.2.1918 wurde die erste Estnische Republik gegründet; heute ist der 24.2. der Nationalfeiertag.
Die Unabhängigkeit Estlands sollte aber nur vom 1918 bis 1940 dauern. Im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts fiel das Baltikum in die Einflusssphäre der Sowjetunion und wurde von der Roten Armee besetzt.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Estland von 1941 bis 1944 ein Teil des deutschen Reichskommissariats Ostland.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die Sowjetunion wieder die Herrschaft.
In Tallin fanden 1980 die Olympische Segelwettbewerbe satt.
Erst mit dem Ende des kalten Krieges zerfiel die Sowjetunion und Estland erklärte 1990 seine Unabhängigkeit, die ab 1991 auch anerkannt war.
1992 führte Estland als erstes Land der ehemaligen Sowjetunion eine eigene Währung (Estnische Krone) ein.
1994 verließen die letzten russischen Truppen Estland.
2001 gewannen die Esten Tanel Padar und Dave Benton in Kopenhagen den Eurovisions Song Contest mit "Once in a Life"
Im September 2003 stimmten die Esten in eriner Volksabstimmung für den EU-Beitritt.
2003 versucht die estnische Mädchenband "Vanilla Ninja" mit "Tough enough" nicht zum One-Hit-Wonder zu werden.
Seit dem 29. März 2004 ist Estland Mitglied der NATO.Estland erzeugt 80-95% seiner Elektrizität in Nerva an der russischen Grenze mit zwei Ölschiefer-Kraftwerken (Estonia und Baltiska).
Die Kraftwerke, in denen vor zehn Jahren noch 2000 Menschen arbeiteten (jetzt noch 530) sind hoffnungslos veraltet und Dreckscheudern. Aber der estnische Ölschiefer (Kuckersit, nach dem Ort Kuckers) ist Estlands Rohstoff zur Stromerzeugung.
Andere Rohstoffen Estlands sind neben dem algenreichen,rotbraunen, 480 Mio. Jahre alten Ölschiefer aus Ordovizium, Torf, Naturphosphat und Bernstein.
Die Stadt Nerva ist zu 93% von einer russischsprachigen Bevölkerung bewohnt, was die Lage dort nicht einfacher macht.
Berühmt geworden ist der Ölschiefer der Grube Messel bei Darmstadt in Südhessen, in dem Fossilien wie das Urpferdchen gefunden wurden.Aber auch andere Ölschiefervorkommen beherbergen Fossilien. Auf der schwäbischen Alp wird Ölschiefer zur Zementgewinnung abgebaut.
Estnische kulinarische Spezialitäten sind "Pirukad" (Teigtasche mit Fleisch und Gemüse), "Sult" (Kalbfleisch in Gelee), "Taidetud Basikarind" ( gefüllter und gerösteter Kalbsschulterbraten), Sauerkrautsuppe mit Sauerrahm, "Verivorst" (Blutwurst).und "Rossolye" (eingelegter Hering mit Rote Beete) sowie selbstgemachtes Bier.
Die Sprache Estnisch hat Ähnlichkeiten zum Finnischen und gehört zur finnougrischen Sprachfamilie.
Übersetzt man die Bezeichnung für "Deutsche" direkt, dann sind Deutsche "Sachsen" (Auf Französisch sind wir Deutschen ja auch "Alemannen", die auch nur ein germanischer Volksstamm waren.)
Im Allgemeinen wird Estnisch alles so gesprochen wie geschrieben. Doppelte Buchstaben werden doppelt lang ausgesprochen.
Die Betonung liegt in der Regel auf der ersten Silbe. Nur Fremdwörter werden (meist) so ausgesprochen wie im Original.
Ein "h" wird immer deutlich mitgesprochen und klingt manchmal wie das "ch" in Bach.Esten sind gerne Esten und möchten gar nicht so gerne "Balten" sein, da sie auch nicht mit Letten oder Litauern verwechselt werden wollen. (Ethnologisch gehören Letten und Litauer zur indoeuropäischen Sprachfamilie). Russen sind wegen ihrer Rolle in der Sowjetzeit unbeliebt, auch ist die Zeit ("Okkupationszeit" genannt) kein bevorzugtes Thema und negativ besetzt. Zu Recht, denn auch in Estland fand Stalinistischer Terror statt. Die Deutschen kommen hingegen gut weg, trotz der Besetzung durch den Deutschritteroden, dem Hitler-Stalin-Pakt und dem 2. Weltkrieg.