675 Jahre Darmstadt - 1
Willis Heimatstadt Darmstadt wird dieses Jahr als Stadt 675 Jahre alt, Grund genug einen mehrteiligen Rückblick in Angriff zu nehmen. Der erste Teil geht bis zu dem Jahr in dem Darmstadt Hessisch wurde.
Darmstadt
Fangen wir also ganz vorne an: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde... Ok, das würde das Budget doch sprengen, also kommen wir gleich zum Jahr 782. Nach Christus natürlich. 782 v. Chr. gab es ja noch nicht einmal Rom.
Im Jahre 782 gab es zwar noch kein Darmstadt aber Urkunden zufolge den heutigen Stadtteil Eberstadt. Eberstadt wird nämlich 782 in einer Urkunde des Klosters Lorsch erwähnt. Damit ist Eberstadt der älteste Stadtteil Darmstadts. Im lokalen Dialekt wird Eberstadt Ewwerscht ausgesprochen. Aber wenn man nach Eberstadt fragt wird einem auch geantwortet.
Zum historischen Umfeld: Im selben Jahr wird Bremen urkundlich erwähnt. In der Zeit regierte Karl der Große seit 768 das Frankenreich und ließ 782 in Verden an der Aller 4500 aufständische Sachsen hinrichten. In Rom regierte Papst Hadrian I. und 50 Jahre zuvor wurde der Vormarsch der Araber in Westeuropa in der Schlacht bei Tours und Poitiers im Jahre 732 gestoppt. 780 wurde der spätere Mönchen, Wissenschaftler, Universalgelehrte und Erzbischof von Mainz Rabanus Maurus der "Lehrmeister Deutschlands" (Praeceptor Germaniae) - geboren.
Im Jahr 1000 gibt es immer noch kein Darmstadt, aber einen weiteren zukünftigen Stadtteil: Arheilgen taucht im Zinsregister der Abtei Seligenstadt auf. Arheilgen ist kein Schreibfehler, das i fehlt mit Absicht. Es heißt eben nicht Arheilige. Die alteingessenen Bewohner sagen übrigens Oarhellje.
Und 1002 wird der jetzige Stadtteil Bessungen in einer Urkunde Kaiser Heinrichs II. erwähnt. Die Grafschaft Bessungen fällt 1013 an den Bischof von Würzburg, der die dann dem Grafen von Katzenelnbogen als Lehen gegeben wird.
Die Grafen von Katzenelnbogen kamen von der südwestlich von Limburg an der Lahn gelegenen Burg Katzenelnbogen. Heute ist das Geschlecht schon lange ausgestorben, aber damals waren die wirklich einflußreich. Sie stellten Bischöfe in Osnabrück und Münster oder waren königliche Ratgeber. Sie reisten auch in den Orient oder nahmen an Kreuzzügen teil.
Ende des 11. Jahrhunderts, zwischen 1050 und 1100 wird nun endlich Darmstadt als "Darmundestat" zum ersten Mal erwähnt.
Woher der Name kommt ist unklar. Einerseits soll es einen königlichen Wildhüter namens Darimundgegeben haben, andererseits könnte es von den Worten darre-Tor, Durchgang und mund-Schutz kommen und somit Siedlung am befestigten Durchgang bedeuten.
Viel schöner ist natürlich die Geschichte, dass es anfangs einen Fürsten gab, der die eine Stadt weil sie arm war Armstadt nannte und eine andere weil ihn die Bürger nicht mochten Dummstadt nannte. Irgendwann war Armstadt aber nicht mehr arm und Dummstadt wollteanders heißen. So hatte der Fürst ein Einsehen und tauschte das D einfach aus. So entstand schließlich Darmstadt und Umstadt,. Zwar gibt es im Landkreis Darmstadt-Dieburg die Gemeinde Groß-Umstadt, aber die Geschichte ist eine Sage, mit der vermutlich irgendeinem was ausgewischt werden sollte, denn Groß-Umstadt wurde schon im Jahre im Jahre 743 als Autmundisstat erwähnt und ist damit sogar älter als Eberstadt.
Allerdings sind nicht alle heutigen Darmstädter Stadtteile älter als ihre Stadt, der nördlichste Ortsteil Wixhausen wird um 1170 urkundlich erwähnt. Damals hieß er noch Wicheshusen oder Wikkenhusen.
Um 1185 erwerben die von Katzenelnbogen in St. Goar am Rhein. 1245 bauen sie die Festung Rheinfels über St. Goar aus. Damit sind sie in der Lage am Rhein Zölle zu erheben.
1252 erwirbt Konrad Reiz von Breuberg Eberstadt und die auf dem Burgberg neu gebaute Burg Frankenstein. Die Breuberger nennen sich daraufhin von Frankenstein.
Wer sich jetzt fragt, ob das was mit dem Frankenstein-Film aus den 1930er Jahren ist bzw. dem Buch aus dem 19. Jahrhundert zu tun hat ja. Weswegen man als Darmstädter auf die Frage Wo liegt denn das? nicht 30km südlich von Frankfurt sagen muss, sondern einfach sagt, das müsse man kennen, denn schließlich liegt die Burg Frankenstein die dem Buch/Film den Namen gab in Darmstadt. Aber dazu später mehr.
Mitte des 13. Jahrhunderts bauen die Grafen von Katzenelnbogen in Darmstadt eine Wasserburg. Die Wasserburg entsteht an der tiefsten Stelle des Gebietes. Heute steht dort das von einem leeren Graben umgebene Schloss. Naja, so leer ist der Schloßgraben nicht. Er ist voll mit Hecken und Bäumen, sodaß man das Schloss dahinter nicht unbedingt gut sehen kann.
1292 bauen die von Frankensteins einen Burg in Darmstadt. Diese Burg steht nicht mehr, auf ihren Grundmauern wurde später im 17. Jahrhundert die Lateinschule Pädagog errichtet.
Am 23. Juli 1330 war es dann soweit. Darmstadt wurde seinem Namen gerecht und bekam die Stadtrechte verliehen. Graf Wilhelm von Katzenelnbogen erhält von Kaiser Ludwig dem Bayern Stadtrechte für Darmstadt. Er bekommt auch die Erlaubnis eine Stadtmauer zu bauen sowie Wochen- und Jahrmärkte abzuhalten.
Der Bau einer Stadtmauer war allerdings damals ein Jahrhundertwerk. Die Mauer sollte ein paar Meter hoch werden und eine Vormauer haben. Zur Stabilisierung und zum Schutz gegen Belagerer, die sich einfach unter der Mauer durchgraben, wurde sie auch noch ein paar Meter im Boden versenkt.
Problem war aber, dass in Darmstadt damals nur 1000 Menschen wohnten und die aber nicht gerade Zeit hatten eine Mauer zu bauen. Denn Freizeit gab es im Mittelalter nicht. Mit Einbruch der Dunkelheit war der Tag zu Ende. Tagsüber war man damit beschäftigt Nahrung anzubauen, zu beschaffen oder zu verarbeiten oder man nähte, zimmerte, baute, flickte oder reparierte das was man brauchte. Zudem musste die schwere Arbeit von den Männern verrichtet werden und bei 1000 Einwohnern konnte man mit vielleicht 250 einsatzfähigen Männern rechnen.
1355 wird die Darmstädter Burg für die Gräfin Else, Frau des Grafen Wilhelm II. von Katzenelnbogen, um eine Badestube und eine Burgkapelle erweitert.
1399 wird ein weiterer Stadtteil urkundlich erwähnt: Einsiedel-Rod. Aber der heißt inzwischen anders.
1375 ist die Burg zum Schloß umgebaut, allerdings ist Gräfin Else inzwischen Witwe.
Darmstadt wird 1385 zur Nebenresidenz der Grafen von Katzenelnbogen. Und da haben wir die früheste Begründung dafür, warum es in Darmstadt seit ein paar Jahren Residenzfestspiele gibt.
1399 erhält der Ritter Henne Kranich von Dirmstein Einsiedel-Rod als Besoldungslehen. Nach dem Kranich im Wappen des Ritters wird der Stadtteil bzw. das dort gebaute Schlößchen später Kranichstein heißen.
Um die Darmstädter Männer zum Mauerbau zu bewegen wurden ihnen deswegen 1418 für 10 Jahre die Steuern erlassen. Daraufhin wurde die Mauer gebaut und als sie endlich fertig war, war sie überflüssig geworden. Denn inzwischen waren Kanonen erfunden worden. Sicherlich schützte die Mauer noch gegen Räuberbanden, aber militärisch war sie nicht mehr sinnvoll.
1439 hat Arheilgen 750 Einwohner und ist kaum kleiner als Darmstadt.
1452 gibt es ein Stadtsiegel, dass den Löwen der Grafen von Katzenelnbogen und eine Lilie zeigt. Lilien sind seit dem Mittelalter wegen der weißen Madonnenlilie ein Reinheitssymbol. Im Darmstädter Wappen soll die Linie vermutlich auf das Marienpatrozinium (d.h. die Kirche steht unter dem Schutz der Patronin Maria) der Stadtkirche hinweisen.
Die Lilientradition hat dazu geführt, das auch der 1898 gegründete
Darmstädter Fussballverein SV Darmstadt 98 die Lilie im Vereinswappen
trägt und im Ligajargon als Die Liliengeführt
wird.
Allerdings passen weiße Lilien ganz gut zum SV 98. Denn so
oft wie der abgestiegen ist, sind Friedhofsblumen - als solche gelten
nämlich Lilien nicht unbedingt verkehrt. Zu Zeit spielen
die 98er in der Saison 2005/06 in der Regionalliga.
Über die Jahrhunderte war es den Grafen von Katzenelnbogen eine wachsende und gut laufende Grafschaft mit 16 Burgen zusammenzubekommen und gewinnbringend zu betreiben. Häufig waren auch Erzbischöfe bei ihnen verschuldet. Aber vor dem Aussterben waren sie nicht geschützt. Nach dem Tod der beiden Söhne blieb nur noch eine Tochter als Erbin.
1457 heiratet Anna von Katzenelnbogen, die künftige Erbin der Grafschaft, Landgraf Heinrich III. von Hessen. Damit beginnt Darmstadt Teil der hessischen Geschichte zu werden. 1470 erhält Heinrich III. von seinem Schwiegervater das Recht die Güter südlich des Mains zu verwalten.
1479 stirbt die männliche Linie der Grafen von Katzenelnbogen aus. Sein Schwiegersohn Landgraf Heinrich III. von Hessen wird sein Erbe. Darmstadt wird eine südhessische Stadt, die Residenz Heinrichs liegt im gut 100km nördlicher gelegenen Marburg.