Wieviel gummibÄrchen braucht ein Mann, um zu vergessen.
Home Sweet Home
Ich vermisse unsere alte Wohnung.
Vor gut einem Jahr sind wir umgezogen, in eine moderne, helle, günstige,
große Wohnung in hervorragender Lage. Unser altes Domizil
war eine 60 Quadratmeter große Kellerwohnung unter einem Zweifamilienhaus
mit 1,5 Stunden Tageslicht (im Sommer). Durch die halbunterirdische
Lage war die Raumtemperatur Sommers wie Winters gleich. Das hatte
zur Folge, dass wir praktisch jeden Tag falsch bekleidet das Haus
verließen.
Die Bausubstanz des Hauses bestand wohl aus einem Ex-Luftschutzbunker, auf den zu Tarnungszwecken ein Zweifamilienhaus gesetzt wurde. Anders lässt sich die Beschaffenheit der Wände, 30 cm Stahlbetonkern mit 4 cm Sandputz, nicht erklären. Bohrtechnisch war da nichts zu machen. Entweder erzeugten wir faustgroße Trichter in der Wand, oder wir erlagen der trügerischen Sicherheit, kleinere Dübel in tragfähigem Material verankert und die geliebten Sammlerstücke gut befestigt zu haben. Einmal brach ein mit 4 (in Worten: vier) Dübeln befestigter Handtuchhalter aus der Wand, als ich es wagte einen seiner Arme um 10 Grad zu drehen, um darunter zu wischen. Wir haben uns dann bei Fachleuten erkundigt: außer mit gezielten Mikrosprengungen sei diesen Wänden nicht beizukommen. Unverständlicherweise wollte unsere Versicherung davon aber nichts wissen. Wir besorgten dann leichtere Bilderrahmen.
Apropos Bilderrahmen: da die Außenwände zwar hart, aber nicht dicht waren, hatten wir auch ein leichtes Problem mit unerwünschter Vegetation. Wer schon einmal ein 50 x 70 cm großes Bild von der Wand nahm und darunter eine 50 x 70 cm große flauschig-grüne Fläche entdeckte, weiß wovon ich spreche.
Ab und an wurden sogar Verbesserungsarbeiten an dem Haus vorgenommen.
Seltsamerweise immer wenn wir in Urlaub waren. Einmal wurden die
heruntergelassenen Rollos von außen mit einem Hochdruckreiniger
in praktisch neuwertigen Zustand gebracht. Das konnte man von den
dahinterliegenden Fenstern allerdings nicht behaupten. Aber zum
Glück hatten wir uns sowieso schon an das Fehlen von Tageslicht
gewöhnt.
Bei anderer Gelegenheit wurde unsere Wohnungstür frisch gestrichen.
Bei geschlossener Tür ein gewagtes Unterfangen. Der braune
Lack verklebte Tür und Rahmen derart hartnäckig, dass
wir uns nur durch mehrere Chackie-Chan-mäßige Fußtritte
wieder Einlass verschaffen konnten als wir aus den Ferien kamen.
Die Installationen in dem gesamten Haus stammte noch aus der Kaiserzeit - und damit meinte ich nicht die ab 1871. Dafür verfolgte die Hausbesitzerin einen fast schon denkmalschützerisches Wartungskonzept: alle Reparaturen konnten warten.
Lustige Konsequenz der Wartungsmangelerscheinung war, dass unsere Dusche gewissermaßen "kontinent" war. Wenn man am Morgen eine erfrischende Dusche nahm, hieß es nach längstens fünf Minuten "Wasser Stopp!", weil der Flüssigkeitspegel im Fußraum die Oberkante der Duschwanne erreichte und jeder weitere Tropfen eine Vollreinigung des Badezimmers nötig gemacht hätte.
Kamen wir abends dann von der Arbeit zurück, konnten wir noch dabei zuschauen, wie sich die letzten Tropfen gewaltsam ihren Weg in den Abfluss bahnten. Dieser Zeitplan funktionierte allerdings nur, wenn die Hausfrau in der Wohnung über uns nicht auf die Idee kam, die Waschmaschine in Betrieb zu nehmen. Die entleerte sich durch eine Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst nämlich direkt in unsere Dusche. Man konnte von Glück sagen, wenn man nicht gerade unter der Brause stand, wenn man ein bestimmtes bedrohliches Gurgeln hörte. Es gibt kaum etwas schöneres, als sich nach dem Duschen fremde Flusen aus den Zehen zu entfernen.
Ein besonderer Spaß für Duschanfänger war, dass bei der Mischbatterie die Anschlüsse für heiß = rot und kalt = blau vertauscht waren, beim Waschbecken war alles normal. Ich gestehe, ich bin Warmduscher. In den ersten Monaten verbrachte ich ganze Vormittage in Kältestarre, da ich schlaftrunken rot = warm interpretiert hatte.
Unser Umzug wurde dann besiegelt, als die Dusche eines Tages gar nicht mehr ablief, das Waschbecken sich ihr anschloss und im Bad der Familie über uns bei den mit nur minimaler zeitlicher Verzögerung (knapp zwei Wochen) eingeleiteten Restaurierungsarbeiten keltische Fußbodenmosaike unter den Fliesen entdeckt wurden. Ein Ortswechsel schien geboten...
Warum ich die Wohnung trotzdem vermisse? Unsere Nachbarn hatten eine sehr nette Katze und deren Besuche fehlen mir doch sehr.