Wieviel gummibÄrchen braucht ein Mann, um zu vergessen.

Gastro-TV

Kennen Sie eigentlich noch Max Inzinger?

Max-“ich-hab-da-schon-was-vorbereitet“-Inzinger zwar nicht Deutschlands, aber immerhin mein erster Fernsehkoch und der Held meiner Jugend. Er kochte damals in der ZDF-Kultsendung „Drehscheibe“ wundersame Dinge, die komischerweise auf alles verzichteten, was gute Deutsche Küche ausmachen sollte: statt Fett und Knorpel gab‘s Olivenöl und Ballaststoffe.

Warum ich an diesen großen Mann erinnere? Weil ich in letzter Zeit eine Bedrohung des Inzinger‘schen Erbes ausmache, und zwar in Form hipper Jungköche.
Es begann mit einem Engländer namens Jamie Oliver, der führte zunächst in Großbritannien vor, dass Kochen auch ohne weiße Mütze und Industrieaustattung hohes Niveau erreichen kann, wenn man nur über genügend Basilikumvorräte verfügt. Und ich muss sagen, ich war angetan. Aus England kannte ich eigentlich nur Fish-and-Chips, matschiges Gemüse und Pfefferminzsoße. Und jetzt wurde auf einmal lecker gekocht. Und das Ganze auf sympathische frische Art.

Die videoclipmäßig wacklige Kameraführung hatte zwar schon MTV-Altmeister Ray Cokes eingeführt (und zwar besser) aber ein verwackelter Reißschwenk auf eine Sellerieknolle ist immer noch spannender, als die schnarchige öffentlich-rechtliche Studioästhetik, die man so kennt.

Und die Rezepte waren witzig. Unkonventionelle Zusammenstellungen und pfiffige Zubereitungsmethoden machten aus scheinbar altbekannten Küchenfreunden plötzlich abenteuerliche Erlebnisreisen. Zimt im Chilli-con-Carne ist bei mir seitdem ein Muss und Ingwer in der Zitronenlimo sowieso. Ich habe sogar schon mein erstes eigenes Brot im Ofen eingeäschert.

In Deutschland köchelten in der Prä-Jamie-Oliver-Zeit ja nur Altmeister wie Johann Lafer und Alfons Schubeck in verstaubter Lehrermanier vor sich hin. In der einen Hand den Kochlöffel, in der anderen den erhobenen Zeigefinger. Und das Schlimmste musste ich neulich entdecken: Herr Lafer zelebriert seine Kunst jetzt mit seiner eigenen Werkzeugedition. Des Meisters Namenszug in backofenfesten Lettern auf Muffinförmchen...Mensch Johann, muss das sein? Der Oscar für den „besten männlichen Selbstdarsteller“ geht an dich.

Ach, eins noch: Herrn Biolek lassen wir hier mal ganz raus, gell. Sein Maggi-Kochstudio für Teilzeit-Promis hat ja mit professionellem Kochen so viel zu tun wie Biolek mit Frauen.

Aber das deutsche Gastro-TV reagierte schnell. Kaum hatte man erkannt, dass auch junge Leute essen müssen, wurden flink „neue“ Kochsendungstypen entwickelt. Manch hipper Jungkkoch darf plötzlich auf unkonventionelle Weise unkonventionelle Gerichte kochen. Statt weiße Mütze zeigen sich auf einmal junge Männer in „frechen“ T-Shirt mit „mutigen“ Aufschriften in den auf Home-Cooking zurechtsimulierten Fernsehstudios das Leben jenseits der Tütensuppe. Abgekupfert? Aus England? Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Wer heute in Max Inzingers Fußstapfen treten will, muss weniger nachweisen, dass er einen Löffel halten, als dass sich einen Ziegenbart wachsen lassen kann. Die Jungs sehen komischerweise immer so aus, als würden sie Kräuter eher rauchen, als mit ihnen würzen und die Kameraführung orientiert sich an dem englischen Erfolgsmodell, ohne dessen Originalität zu erreichen. Nachkochen kann halt nie originell sein.

Ein bestimmter Sender platzierte das Plagiat sogar dankenswerterweise auf einem Sendeplatz direkt nach dem englischen Original um den Zuschauern den peinlichen Vergleich leichter zu machen. Aber es ist eben nur bedingt spannnend, zu sehen, wie ein, rein optisch an einen prominenten Handballer erinnernder, designierter Ex-Fernsehstarkoch einem zeigt, wie man sich ein Nutellabrot schmiert („Und ganz wichtig: die total leckere braune Pampe auf die Oberseite des Brotes...“) oder einen Metzgerladen benutzt. („Da gehen wir jetzt mal rein und fragen, was es so gibt.“)

Die anderen kulinarischen Trittbrettfahrer wird auch noch das gerechte Schicksal einholen.
Und meinen großen Helden erreicht sowie so keiner von den Neulingen. Der kam aus Dänemark und warf gerne mit Besteck. Ich sag nur: Smörrebröd, Smörrebröd, römpömpömpöm...

 

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